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schau. Es stammt aus der Sammlung Krosnowski, Warschau, woher es noch vor dem 2.
Weltkrieg in die Staatlichen Kunstsammlungen, Kónigliches SchloB (Krosnowski-
Abteilung, lnv.-Nr. 689) in Warschau, kam; seit 1945 wurde es im Nationalmuseum
Warschau (lnv.-Nr. M.Ob.1988) und wird ab 1993 im KónigsschloB zu Warschau aufbe-
wahrt.

Unter einem steinernem Opferaltar mit angefachten roten Feuerflammen liegt auf
dem bróckeligen Felsenboden der nackte Korper des sterbenden (oder schon toten)
Abel, mit Gesicht, Brust und Hufte zu Boden hin gerichtet. Sein Leib, gezeigt von der
rechten Seite, ist in scharfer, schrager Verkurzung dargestellt. Der dunkelhaarige Kopf
ist in den Bogen des linken Armes hineingedruckt, einer unwillkurlichen Gebarde des
Beschutzens des Hauptes gleich. Der rechte Arm, leicht vom Leib nach der Seite
abgeruckt, stutzt sich auf einem Steinblock. Unter dem Leib faltet sich weich ein hell-
braunes Feli heraus. Das rechte Bein ist scharf geknickt, sein Unterbein urn das linkę,
lose ausgestreckte Bein herumgelegt. Hinter der Figur und dem- Altar dehnt sich der
smaragd-grun-blaue Himmel mit weiBen Wolken aus. Der Raum des Hintergrundes
bleibt vollkommen leer.

Das Gemalde ist bedauerlicherweise im sehr schlechten Zustand erhalten. Auf der
Wadę Abels splittert ein groBes Blatt der Farbę; Zersplitterungen und Abbróckelungen
kommen auch an allen Bildrandern vor; die gesamte Malflache ist stark nachgedunkelt
und verschmutzt. Das Bild wartet auf baldige Reinigung und Renovation, die die
ursprungliche Farbgebung enthullen soli. Nichtsdestoweniger laBt sich das hohe Niveau
der maltechnischen Ausfuhrung ohne Weiteres beobachten. Das Helldunkel ist stark
aber auch gleichzeitig weich, die Koloristik - raffiniert (weiche Gelb- und Brauntóne,
intensive Smaragdfarbe des Flimmels, das WeiB der Woken, sattes Rot der Flammen),
die Pinselfuhrung - frei, breit, virtuos, die Modellierung des Kórpers und solcher Detaills
wie das Feli, beide Hande, das Flaar - vortrefflich. Dies sind Stilmerkmale, die die Loth-
Zuschreibung befurworten diirfen. Hinzu kommt noch die Themenwahl - die Geschichte
von Kain und Abel, die auf Venedig des 17.Jahrhunderts hinweist, wo diese Ikonographie
besonders weit verbreitet war: Nach Tintoretto (das Gemalde in der Akademie, Venedig)
wurde dieses Thema u.a. von Jacopo Palma il Giovane, Antonio Aliense, Johann Liss,
Giovanni Battista Langetti, Francesco Maffei, Girolamo Forabosco und Antonio
Tempesta dargestellt50.

Den Typus des sanft modellierten, nackten Ephebenkórpers findet man bei Loth
mehrmals - u.a.: in der Marter des hl. Erasmus (St. Peter, Munchen - Abb. 24)51, in dem
Schutzengel (1691, Ingolstadt, Bayerische Staatsgemaldesammlungen)52, der Marter
des hl. Eugen (vor 1697, Sta Maria del Giglio, Venedig)53, in Jakobs Traum (Vicenza,
Palazzo Vescovile)54 55, in den Darstellungen des Barmherzigen Samariters
(Braunschweig, Flerzog Anton Ulrich-Museum - Abb. 25; Munchen, SchloB
Nymphenburg; Venedig, Coli. Martinuzzi; Pommersfelden, Slg. Graf Schonborn)56, dem
HI. Sebastian (Kunsthandel Munchen 1958/59)57 und in Phaeton und Apollo (Conegliano,
Privatbesitz)58. Fur unsere Zuschreibung besonders beweiskraftig erscheint der Vergleich
des Warschauer Gemaldes mit dem oben erwahnten Barmherzigen Samariter in

50. A. Pigler, Barockthemen, Wien-Budapest 1974, II, s.v. Kain erschlagt Abel und Beweinung Abels.

51. Ewald 258, Taf. 21.

52. Ewald 338, Taf. 44.

53. Ewald 259, Taf. 46.

54. Ewald 60, Taf. 52.

55. Ewald 161, Taf. 22; 162, Taf. 55 (Werkstattarbeit); 167, Taf. 55; 165, Taf. 56.

56. Ewald 155, Taf. 56 (Werkstattarbeit).

57. Ewald 339a, Taf. 60.

58. Ewald 435b, Taf. 62 (Werkstattarbeit).

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