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der Geschichte, Adam beweint den toten Abel, wurde von Loth in den Gemalden in den
Uffizien und im Privatbesitz in Lucca abgebildet63. In all jenen Gemalden liegt (bzw. fallt
hinunter) Abel auf dem Riicken.

In den Urkunden ist Loths ToterAbeldreimal erwahnt worden. Aber weder ein „Abele
morto di Carlo Lott, ma non finito”, erwahnt 1712 (lnventar des Besitzes von Giovanni
Castelli di Biaggio a San Vitale, Venedig, 2.3.1712)64, noch ein anderer JebensgroBer”
ToterAbel, erwahnt 1789 (Verkaufskatalog derSIg. Freiherr Joseph Leopold von Castel,
Mannheim, Nr. 127; 162x189 cm)65 mógen mit unserem Bild identisch gewesen sein. Der
dritte Abele ucclso da Caino von Loth, verzeichnet 1793 im lnventar des Palazzo
Roncale in Rovigo66, stimmt mit dem Warschauer Gemalde auch nicht gut uberein, weil
die in dem lnventar beschriebene Figur des fliehenden Kain im Hintergrund fehlt.

Die typische Auffassung des Themas des ermordeten Abel, der in den Szenen der
Tótung und der Beweinung dargestellt wurde, war in der italienischen Kunst jene, in der
Abel zu Boden hinfallt oder schon auf der Erde tot liegt - immer aber dargestellt ais auf
dem Rucken liegend, mit auseinanderbreiteten Armen, meistens in schrager bzw.
frontaler Verkurzung. Auf diese Weise haben ihn beispielsweise Johann Liss in seiner
Beweinung Abels in Padua (Coli. Fiocco)67 und im neuentdeckten und Liss zugeschriebe-
nen Bild Kain erschlagt Abel im Privatbesitz in Warschau68 sowie Loth
selbst in den obengenannten Gemalden in Aachen und Raudnitz mit Abels Ermordung
und in den Uffizien und in Lucca mit dessen Beweinung dargestellt. Viel seltener ist in
der Bildtradition die Auffassung, in welcher Abel, von Kain erschlagen, mit seinem
Gesicht zu Boden hin zu stiirzen scheint, also der Moment, der die im Warschauer Bild
dargestellte Situation innerhalb der Erzahlung vorangeht. Diese Komposition findet man
in Jacopo Tintorettos Gemalde in der Akademie in Venedig (urn 1550)69 oder in dem
Guido Reni zugeschriebenen Bild im Wiener Kunsthistorischen Museum70. Der Typ einer
mit Gesicht zu Boden liegenden, nackten Figur erscheint in der italienischen bzw.
deutschen Kunst des 16.-17. Jahrhunderts extrem selten - und wenn schon dann nur in
Kampfszenen und immer ais Pathosformel fur einen besiegten, toten Feind71. In der Kain-

63. Ewald 15, Taf. 51, und 15a (Replik der Nr. 15).

64. Ewald 12.

65. Ewald 13.

66. Ewald 14: „Abele ucciso da Caino, chi di lontano sen fugge, dove la figura delTestinto garzone e posta in
escorzio assai difficile e opera bella di Gio: Loth”.

67. Leinwand 84 x 98 cm; La pittura deI Seicento a Venezia, Ausstellungskatalog, Ca’ Pesaro, Venedig 1959, Nr. 62
mit Abb.).

68. M. Monkiewicz, kunsthistorische Dokumentation im Nationalmuseum Warschau. Fur den Zuschreibungshinweis
danke ich Flerrn Monkiewicz sehr herzlich.

69. H. Tietze, Tintoretto. The Paintings and Drawings, London 1948, Taf. 31.

70. C. Garboli, E. Baccheschi, L’opera completa di Guido Reni, Milano 1971, Kat. - Nr. XXXIII.

71. Z.B.: Giuseppe Cesari d'Arpino, Der Kampf der Romer mit den Bewohnern von Veijen, 1597-1601, Rom, Gall.
Borghese, und Caen, Musee des Beaux-Arts (der Tote rechts unten), s. Siecento, le siecle de Caravage dans les
collections franęaises, Ausstellungskatalog, Grand Palais, Paris, Pallazzo Reale, Mailand 1988-1989, Abb. auf
der S. 171; Guido Reni, Der Triumph Simsons, Bologna, Pinacoteca Nazionale (der tote Philistin links unten), s.
Garboli, Baccheschi, op. cit., Taf. XXVI; Guido Reni, Auferstehung Christi, 1596-1600, Bologna, S. Domenico
(einer der Wachter unten links), s. Garboli, Baccheschi, op. cit., Nr. 13; Nicolas Poussin, Der Sieg Gideons uber
die Midianniter, urn 1626, Rom, Pinacoteca Vaticana (der sterbende Mann rechts unten), s. A. Blunt, The Pain-
tings ot Nicolas Poussin. A Critical Catalogue, London 1966, Nr. 31). Die dem Warschauer Abel ahnlichste Auf-
fassung tritt in dem Dankopfer Noahs von Johann Kónig in Berlin auf (Deutsche Maler und Zeichner des 17. Jahr-
hunderts, Ausstellungskatalog, Orangerie Charlottenburg, Berlin 1966, Nr. 38 mit Abb.) - der Tote in der Mitte der
Gruppe von Leichen besiegter Feinde im Vordergrund. Die Geschichte des Berliner Gemaldes im 17. Jahrhun-
dert bleibt leider unbekannt, so laBt sich nicht feststellen, ob Loth das Bild Konigs noch in Deutschland gesehen
haben und spater einen Teil davon zum Vorbild fur seine eigene Komposition wahlen konnte. Es ist keine gra-
phische Nachahmung bzw. Wiederholung dieses Gemaldes bekannt. Nichtsdestoweniger laBt sich nicht vollig
ausschlieBen, daB Loth, noch vor seiner Abreise nach Italien, das Bild Konigs in Munchen, Nurnberg oder in Augs-
burg oder noch in einem anderen bayerischen Ort, wo es sich befinden mochte, studiert und nachgezeichnet hat.

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