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Bulletin du Musée National de Varsovie — 37.1996

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Nr. 3-4
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Dobrzeniecki, Tadeusz: Ideengehalt der "Grablegung" Caravaggios
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https://doi.org/10.11588/diglit.18945#0180
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Weise ihren Sohn, Christus. Dieses Vorgehen hat eine tiefe ideelle Begründung,
von der u.a. Albertus Magnus spricht24: [Maria ist] forma ad quam aeterni
Patris imago figuratur; est enim filius imago Dei invisibilis, unde Sap. VII dicitur
quod est speculum sine macula Dei majestatis et imago bonitatis25 illius ...et sic
imago Patris facta est ad imaginent Matris. Wichtig ist für die vorliegenden
Überlegungen die Schlußfolgerung Albertus’: Sic imago Patris facta est ad
imaginem Matris.

Der hl. Bernhard nennt Marias Opfer ein “Abendopfer”26 27: Optabat cum
filio sacrificium vespertinum celebrare, wie es im Alten Bund dargehracht
wurde und von dem im Psalm 142,2 die Rede ist: “Mein Gebet möge vor dir
gelten als ein Räucheropfer, das Aufheben meiner Hände als ein Abendopfer”.
Eben nach diesem Ritual bringt Maria ihr Abendopfer auf einer Miniatur im
Gebetbuch Grandes Heures de Rohan17 dar: Sie erhebt die Hände und blickt
zum Gottvater auf, der aus den Wolken hervorschaut. Dies ist das Opfer des
Neuen Bundes, typologisch dem rechts auf dem Blatt dargestellten
alttestamentlichen Abendopfer gegenübergestellt.

Die aus dem 17. Jh. stammende Beschreibung28 der für die älteste geltenden,
jedoch nicht mehr existierenden Pietà aus dem Jahre 1298 besagt, dies sei eine
statua Beatae Mariae Virginis quam vespertinam et dolorosam compellant,
daher wurde diese Skulptur als leidvolles Vesperbild bezeichnet.

Bei ihrem Opfer erlebte Maria die höchste Freude über das vollbrachte
Erlösungswerk - und das ist die Quelle des sog. freudvollen Vesperbildes.29
Gotische Künstler stellten manchmal Maria lächelnd dar, um ihre Haltung zu
verdeutlichen.30 31 Trotz dieses Hochgefühls der Freude war Maria zugleich von
tiefstem Leid erfüllt. Hätte sie es nicht empfunden, wäre sie keine echte Mutter.
Engelbert von Admont (t 1331) schreibt: Haec pulchritudinem dilectionis
Beata Virgo habuit in summo erga suum filium: quia in passione filii simul
habuit summum gaudium et exaltationem spiritualem de Immani generis
redemptione et summum dolorem et compassionem naturalem de filii passione
et morte?1

Aufgrund der hier zitierten Quellen kann der ideelle Gehalt der Pietà
folgendermaßen Umrissen werden: Sie bringt die soteriologische Compassio

24 Postillae super cap. 11 Lucae, vgl. Dobrzeniecki, Mediaeval Sources ..., op. cit., S. 22, Anm. 61.

25 Maria = imago divinae bonitatis, in qua artifex valde ostendit magisterium pietatis suae -
Thomas von Aquin, Opusc. 61 De decem gradibus caritatis, gradus 10, vgl. Dobrzeniecki, Mediaeval
Sources ..., op. cit., S. 22, Anm. 62.

26 ln Purificatione BMV, Patr. Lat., vol. CLXXXIII, col. 370, vgl. Dobrzeniecki, Mediaeval Sources
..., op. cit., S. 23, Anm. 76.

27 Dobrzeniecki, ebenda, fig. 12, S. 23, Anm. 78.

zS A. Gelenius, zit. von E. Reiners-Ernst, vgl. Anmerkung 29 im vorliegenden Text, nach ihr zit. von
Dobrzeniecki, Mediaeval Sources ..., op. cit., S. 23, Anm. 80.

29 E. Reiners-Ernst, Das freudvolle Vesperbild und die Anfänge der Pietà-Vorstellung, München 1939.

30 Dobrzeniecki (nach E. Reiners-Ernst, op. cit.). Mediaeval Sources ..., op. cit., fig. 14, 15 (Pietà
aus Rtiggisberg, gegenwärtig in Privatbesitz in Freiburg).

31 Tractatus de gratiis et virtutibus BVMariae, cap. XIII, vgl. Dobrzeniecki, Mediaeval Sources ...,
op. cit., S. 24, Anm. 83.

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