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Bock, Franz
Die Werke des Mathias Grünewald — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 54: Straßburg, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.21965#0094
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härter modelliert ist, als man erwartet. Zu dem erregten Aus-
druck des Kopfes kommt die bewegte Haltung, der Körper nach
links, der Kopf nach rechts gedreht, die Arme zurückgebunden.
Dieser bewegte Umriß hebt sich von der prachtvollen Folie des
roten bewegten Mantels. Hier haben wir die Vorstufe zu dem
Verkündigungsbilde des Isenheimer Altars. Auch das eigen-
tümliche Kämpferkapitell der Säule werden wir in Kolmar
wiederfinden. Es ist nicht Spätgotik, aber auch nicht «Renais-
sance», sondern eine ganz individuelle Bildung.

Dieser sehr wichtige und bedeutende Altar ist in keinem
Handbuch und keiner Geschichte der Malerei genannt, auch
selbst wenigen Fachleuten bekannt, wie es scheint. Er ver-
diente, von der jetzigen Stelle im Exil, wo er dunkel und hoch
hängt, in die Pinakothek versetzt zu werden. Man würde dafür
gerne einige Leistungen der Herren Wolgemut und Schaffner,
die sich dort sonnen dürfen, entbehren.81

Schleißheim,

Nikolaus. In dieser Zeit, aber wohl etwas früher, dürfte ein einzelner
versprengter Altarflügel mit dem h. Nikolaus in Schleißheim
entstanden sein (Nr. 130). Wie der h. Martin steht der Bischof
auf schmalem grauem Boden gegen einen blauen Grund in
Halbprofilwendung mit dem Blick nach der entgegengesetzten
Seite. Dieser lebendige Blick unter halb geschlossenen Lidern
erinnert sehr an den der Maria auf der Dresdener Flucht.
Der Nimbus hat den charakteristischen eingekerbten Rand.
In der Modellierung des Kopfes sind die wesentlichen Teile be-
tont und wie in einem weichen Material gegeben. Entscheidend
ist die malerische Qualität. In dem von rechts vorn fallenden
Licht ist der rote Mantel sehr fein von Hell zu Dunkel abge-
tönt, auf den gezogenen Faltenkämmen liegt das Licht breit,
flächig, flüssig und offen gemalt ; Karmin wird nach Grün ge-
brochen, Hellgrün nach Gelb; ein Weiß erscheint sehr fein im
Schatten violett und durch Reflexe vom Mantel violettbräunlich:
die Handschuhe sind kräftig und breit im Licht gelb, im Schatten
braun gemalt. Es ist kein bedeutendes, aber an lebendiger
Charakteristik wie Qualität der Ausführung durchaus würdiges
Bild. —

Zeichnungen. Sehr bedeutend und wichtig sind zwei in diese Zeit
fallende Handzeichnungen, die eine in Dresden, die andre
 
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