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Geschichtliche Übersicht
Salisbury. — Im Jahre 1220 wurden die Arbeiten zum Neubau der Kathe-
drale von Salisbury auf genommen1. Im selben Jahr wurde in Frankreich das
Langhaus von Amiens begonnen. Beide Kathedralen verkörpern in reinster
Form das Kunstwollen der Hochgotik, Salisbury für die englische Baukunst2,
Amiens für die französische. Die Gleichzeitigkeit dieser Ereignisse ist wichtig für
das gesamte 13. Jahrhundert in England. — Die Kathedrale von Salisbury war
1218 vorher aus Old Sarum, das sich nördlich der heutigen Stadt Salisbury
befand, an die neue Stelle verlegt worden3. Unbehindert durch einen älteren Bau
T. 1 konnte sie nach einem einheitlichen Plan gebaut werden. Der Grundriß ist
Fig. 1 klar in Langhaus, Chor, östliches und westliches Querschiff und Marienkapelle
gegliedert, wie es durch das Vorbild der dritten Kirche von Cluny in England
zur Tradition geworden war: 10 Joche im Langhaus, sieben im Chor, im Chor-
ende ein zweijochiger Umgang, über den die Marienkapelle in zwei weiteren
Jochen nach Osten vorspringt. Der dreiteilige Aufriß ist im Langhaus,
Querschiff und Chor gleich; hohe profilierte Rundpfeiler-Arkaden mit freien
Diensten aus Purbeckmarmor nehmen fast die Hälfte des Aufrisses ein. Darüber
zieht sich eine Folge von breiten, doppelt unterteilten Emporenbogen hin. Von
ihren Zwickeln steigen dünne, dreifache Dienste zum Gewölbe auf. Die Fenster
in den Stichkappen bestehen aus je drei gestuften Lanzettfenstern; innen ist
ihnen eine entsprechende Arkade vorgesetzt. Ein einfaches Kreuzrippengewölbe
schließt den Raum. — Baudaten. — Der Plan der Kathedrale, wahrscheinlich
von Elias of Dereham entworfen4, wurde in der erstaunlich kurzen Zeit
von etwas mehr als 40 Jahren ausgeführt; die Marienkapelle war schon 1225
vollendet, das Presbyterium 1237 und das Langhaus mit dem großen Querschiff
1258. Bis 1268 folgte die große Westfassade. Damit war die Kathedrale mit
1 Vgl. Salzman, 1952, p. 380.
2 Das schließt nicht aus, daß in Salisbury einzelne französische Motive vorkommen,
Nach Lethaby (1930, p. 235) war die Anordnung der Portale der Westfassade in St,
Nicaise zu Reims vorgebildet.
3 Im folgenden nach Brieger, 1957, p. 16 ff.
4 Diese Zuschreibung ist nicht gesichert. Thompson (“Master Elias of Dereham and
the King’s Works”, AJ, XCVIII, 1941, p. 1 ff.) gibt einen genauen Lebenslauf dieser
bedeutenden Persönlichkeit. Seine Schlußfolgerung ist, Elias sei kein Architekt ge-
wesen. Pevsner, 1942, p. 234, hält Elias dagegen für den Architekten von Salisbury.
Er werde zwar “rector” genannt, was auf eine administrative Stellung hinweise,
aber die Quellen ließen keinen Zweifel an seiner aktiven Tätigkeit als Ardritekt
aufkommen. So auch Salzman, 1952, p. 9 ff. Harvey, Dict., p. 83, dagegen schreibt
den Enwurf dem “cementarius” Nicholas Ely zu. Brieger, 1957, p. 18, vermutet eine
beratende Mitwirkung des Elias of Dereham. Alle Autoren stimmen darin überein,
daß die Klarheit und die konsequent durchgeführte Organisation des Bauwerkes in
Aufriß und Grundriß Elias zuzuschreiben sei. Er war als ausübender Künstler ein
Kanoniker von Salisbury und Wells und stand zeit seines Lebens in königlichem
Dienst. Seine Bedeutung als Berater des Königs muß beträchtlich gewesen sein. In
Salisbury „a prima fundatione rector fuit novae fabricae“ (Dict., p. 83, nach Leland,
Itinerary I, p. 366, ed. Smith, 1907). Näheres vgl. Thompson, a. a. O.
Geschichtliche Übersicht
Salisbury. — Im Jahre 1220 wurden die Arbeiten zum Neubau der Kathe-
drale von Salisbury auf genommen1. Im selben Jahr wurde in Frankreich das
Langhaus von Amiens begonnen. Beide Kathedralen verkörpern in reinster
Form das Kunstwollen der Hochgotik, Salisbury für die englische Baukunst2,
Amiens für die französische. Die Gleichzeitigkeit dieser Ereignisse ist wichtig für
das gesamte 13. Jahrhundert in England. — Die Kathedrale von Salisbury war
1218 vorher aus Old Sarum, das sich nördlich der heutigen Stadt Salisbury
befand, an die neue Stelle verlegt worden3. Unbehindert durch einen älteren Bau
T. 1 konnte sie nach einem einheitlichen Plan gebaut werden. Der Grundriß ist
Fig. 1 klar in Langhaus, Chor, östliches und westliches Querschiff und Marienkapelle
gegliedert, wie es durch das Vorbild der dritten Kirche von Cluny in England
zur Tradition geworden war: 10 Joche im Langhaus, sieben im Chor, im Chor-
ende ein zweijochiger Umgang, über den die Marienkapelle in zwei weiteren
Jochen nach Osten vorspringt. Der dreiteilige Aufriß ist im Langhaus,
Querschiff und Chor gleich; hohe profilierte Rundpfeiler-Arkaden mit freien
Diensten aus Purbeckmarmor nehmen fast die Hälfte des Aufrisses ein. Darüber
zieht sich eine Folge von breiten, doppelt unterteilten Emporenbogen hin. Von
ihren Zwickeln steigen dünne, dreifache Dienste zum Gewölbe auf. Die Fenster
in den Stichkappen bestehen aus je drei gestuften Lanzettfenstern; innen ist
ihnen eine entsprechende Arkade vorgesetzt. Ein einfaches Kreuzrippengewölbe
schließt den Raum. — Baudaten. — Der Plan der Kathedrale, wahrscheinlich
von Elias of Dereham entworfen4, wurde in der erstaunlich kurzen Zeit
von etwas mehr als 40 Jahren ausgeführt; die Marienkapelle war schon 1225
vollendet, das Presbyterium 1237 und das Langhaus mit dem großen Querschiff
1258. Bis 1268 folgte die große Westfassade. Damit war die Kathedrale mit
1 Vgl. Salzman, 1952, p. 380.
2 Das schließt nicht aus, daß in Salisbury einzelne französische Motive vorkommen,
Nach Lethaby (1930, p. 235) war die Anordnung der Portale der Westfassade in St,
Nicaise zu Reims vorgebildet.
3 Im folgenden nach Brieger, 1957, p. 16 ff.
4 Diese Zuschreibung ist nicht gesichert. Thompson (“Master Elias of Dereham and
the King’s Works”, AJ, XCVIII, 1941, p. 1 ff.) gibt einen genauen Lebenslauf dieser
bedeutenden Persönlichkeit. Seine Schlußfolgerung ist, Elias sei kein Architekt ge-
wesen. Pevsner, 1942, p. 234, hält Elias dagegen für den Architekten von Salisbury.
Er werde zwar “rector” genannt, was auf eine administrative Stellung hinweise,
aber die Quellen ließen keinen Zweifel an seiner aktiven Tätigkeit als Ardritekt
aufkommen. So auch Salzman, 1952, p. 9 ff. Harvey, Dict., p. 83, dagegen schreibt
den Enwurf dem “cementarius” Nicholas Ely zu. Brieger, 1957, p. 18, vermutet eine
beratende Mitwirkung des Elias of Dereham. Alle Autoren stimmen darin überein,
daß die Klarheit und die konsequent durchgeführte Organisation des Bauwerkes in
Aufriß und Grundriß Elias zuzuschreiben sei. Er war als ausübender Künstler ein
Kanoniker von Salisbury und Wells und stand zeit seines Lebens in königlichem
Dienst. Seine Bedeutung als Berater des Königs muß beträchtlich gewesen sein. In
Salisbury „a prima fundatione rector fuit novae fabricae“ (Dict., p. 83, nach Leland,
Itinerary I, p. 366, ed. Smith, 1907). Näheres vgl. Thompson, a. a. O.