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Bock, Henning
Der decorated style: Untersuchungen zur englischen Kathedralarchitektur der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts — Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen, N.F. 6: Heidelberg: Carl Winter, Universitätsverlag, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.57087#0019
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13. Jahrhundert: Westminster Abbey

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Ausnahme des Kreuzganges und des Kapitelhauses vollendet. Dank dieser
günstigen Umstände sind die strengen Proportionen und die Klarheit der Struk-
tur und der Ordnungen ungebrochen verwirklicht worden. Salisbury erscheint
als der Prototyp des hochgotischen englischen Kathedralstils,
des „bischöflichen“ Stils, wie Brieger ihn nennt. Der kühle Eindruck des Innen-
raums heute — im Weiß der Wände und Dunkel der Purbecksäulen — entfernt
sich aber weit von der ursprünglichen Erscheinung. Alle freien Mauerflächen
waren elfenbeinfarben getönt und mit einem aufgemalten Steinfugenmuster ver-
sehen. Die Bogenprofile waren rot, grün und gelb gefaßt und z. T. mit Mustern
versehen. In den Arkadenzwickeln befand sich gemaltes Rankenwerk, ebenso im
Gewölbe um die Schlußsteine. Im Gewölbe des Chores und des Presbyteriums
sind die heutigen Medaillons eine Rekonstruktion der alten Malereien5. James
Wyatt entfernte bei einer durchgreifenden Restauration 1786 fast alle „stören-
den“ Lettner oder Schranken, um sein Ideal eines stileinheitlichen, im gesamten
wirkenden Innenraums zu verwirklichen. Zu dieser idealen, aber sehr zeit-
gebundenen Auffassung von der Wirkung einer gotischen Kathedrale gehört
auch die strenge, fast klassizistische Nüchternheit des Weiß und Schwarz der
Wände und Gewölberippen6. — Der Kreuzgang und das Kapitelhaus
wurden erst nach der Vollendung der Kirche ca. 1263—84 an die Südseite des
Langhauses angebaut. Beide folgen im wesentlichen dem Vorbild von Kapitel-
haus und Kreuzgang in Westminster Abbey (beg. 1245). Damit haben sie sich
bereits von der klaren Nüchternheit der eigentlichen Kathedrale gelöst, denn
Westminster hatte um die Mitte des Jahrhunderts eine Abwendung von dem
strengen Ideal der Hochgotik gebracht.
Westminster, Abteikirche. — Mit diesem Bauwerk war die Grenze zwi-
schen klassischer und nachklassischer Phase der englischen Hochgotik über-
schritten. Die englische Architektur begann aus ihrer Isolierung herauszutreten.
Während in allen Landesteilen noch der nationale Stil der Hochgotik verbreitet
oder variiert wurde, bahnte sich in London eine Auseinandersetzung zwischen
englischer und französischer Architektur an. — Baudaten. — Schon 1220 war
die Erneuerung der normannischen Abteikirche von Westminster mit der Ma-
rienkapelle begonnen worden7. Wir wissen nichts Genaueres über ihr Aus-
sehen, weil 300 Jahre später die Kapelle Heinrichs VII. an ihrer Stelle errichtet
5 Tristam, 1950, p. 26 ff.
6 Vgl. Dale, 1956, p. 102ff.; Wyatt restaurierte ebenfalls die Kathedralen von Lich-
field, Hereford und Durham. Alle seine Arbeiten folgten einem Schema, “to throw
the choir and the chapel behind it into one by pulling down the reredos; to transfer
the high altar to the extreme east end; to remove the organ screen and replace it
and the altar-piece by a patchwork composition of his own formed of old pieces
taken from elsewhere, generally from the reredos; and to drain and level the close.
Local needs were also attended to in each case, but this was the substantial plan for
universal application where permitted” (Dale, 1956, p. 113).
7 Lethaby, 1925, p. 38 ff.
 
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