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Geschichtliche Übersicht
Fig. 21 b Norwich. — Der neue Kreuzgang und das Obergeschoß im Chor der nor-
mannischen Kathedrale haben zwar nicht die gleiche Bedeutung wie die Bau-
werke in Ely, aber sie müssen im Zusammenhang der ostenglischen Baukunst
des Decorated Style erwähnt werden. Der Kreuzgang liegt auf der Südseite
des Langhauses. Zuerst wurde der Ostflügel von John (I.) de Ramsey errichtet
(1297—1318). Dieser begann auch den Südflügel, wurde aber nach zwei Jahren
von William (II.) de Ramsey abgelöst103. Aus der gleichen Zeit stammt eine Ein-
tragung in den Abrechnungen des Klosters über Ausgaben eines Masters William
und seines Bruders auf einer Reise nach London und zurück. Harvey nimmt diese
Notiz als einen Hinweis, daß der Architekt des Hofstils, William (III.) de Ram-
sey, “visiting master” in Norwich gewesen sei. Jedenfalls ist ein Hinweis auf die
Beziehungen zwischen Norwich und London gegeben. Tatsächlich gab es im
oberen Kreuzgang von St. Paul in London (beg. 1332) ähnliche Maßwerkformen
wie im Südflügel des Kreuzganges von Norwich. Diese Tatsache unterstützt die
schriftlichen Nachrichten. Der Westflügel des Kreuzganges folgte 1344—47 und
der Nordflügel unter Robert de Wodehirst 1385—1415. Derselbe Meister war
in diesen Jahren auch in Ely tätig. Harvey vermutet, daß Wodehirst auch für die
Erneuerung der Obergaden im Presbyterium in Norwich verantwort-
lich war104. 1362 stürzte dort der Vierungsturm ein und zerstörte Teile des
Chores. Mit dem Wierderaufbau wurde sofort begonnen, aber nur der Obergaden
über den erhaltenen normannischen Arkaden wurde gebaut; das Gewölbe ent-
stand erst ein volles Jahrhundert später (1472—99)105. Stilistisch gehören die
Obergaden noch ganz in die Architektur der ersten Jahrhunderthälfte. Die Ver-
bindung zu London — wenn sie überhaupt bestand — hatte keine Nachwirkung,
sonst müßten zu dieser Zeit schon Perpendicular-Formen verwendet worden
sein. Statt dessen ist das Vorbild der Marienkapelle von Ely deutlich zu erkennen.
3. Die Nachfolge: Canterbury und Winchester
Die Dekorationskunst der Marienkapelle in Ely bot keinen Ansatzpunkt für
die Entwicklung neuer Ideen. Sie ist die höchste Steigerung, deren der Decorated
Style fähig war und blieb ohne Nachfolge in der englischen Architektur. Dagegen
gewann die Londoner Schule mehr und mehr an Einfluß. Für Winchester und
Canterbury, die beiden letzten großen Neubauten der Kathedralarchitektur,
war diese Verbindung zum Hofstil Voraussetzung. Die Erzbischöfe von Canter-
bury und die Bischöfe von Winchester standen immer in engem Kontakt mit dem
Hof. Von Canterbury waren die Baumeister für St. Stephen in London gekom-
103 Alle Angaben nach Dict., p. 215 ff.
104 Dict., p. 299.
105 Stewart, 1875, p. 36 ff.
Geschichtliche Übersicht
Fig. 21 b Norwich. — Der neue Kreuzgang und das Obergeschoß im Chor der nor-
mannischen Kathedrale haben zwar nicht die gleiche Bedeutung wie die Bau-
werke in Ely, aber sie müssen im Zusammenhang der ostenglischen Baukunst
des Decorated Style erwähnt werden. Der Kreuzgang liegt auf der Südseite
des Langhauses. Zuerst wurde der Ostflügel von John (I.) de Ramsey errichtet
(1297—1318). Dieser begann auch den Südflügel, wurde aber nach zwei Jahren
von William (II.) de Ramsey abgelöst103. Aus der gleichen Zeit stammt eine Ein-
tragung in den Abrechnungen des Klosters über Ausgaben eines Masters William
und seines Bruders auf einer Reise nach London und zurück. Harvey nimmt diese
Notiz als einen Hinweis, daß der Architekt des Hofstils, William (III.) de Ram-
sey, “visiting master” in Norwich gewesen sei. Jedenfalls ist ein Hinweis auf die
Beziehungen zwischen Norwich und London gegeben. Tatsächlich gab es im
oberen Kreuzgang von St. Paul in London (beg. 1332) ähnliche Maßwerkformen
wie im Südflügel des Kreuzganges von Norwich. Diese Tatsache unterstützt die
schriftlichen Nachrichten. Der Westflügel des Kreuzganges folgte 1344—47 und
der Nordflügel unter Robert de Wodehirst 1385—1415. Derselbe Meister war
in diesen Jahren auch in Ely tätig. Harvey vermutet, daß Wodehirst auch für die
Erneuerung der Obergaden im Presbyterium in Norwich verantwort-
lich war104. 1362 stürzte dort der Vierungsturm ein und zerstörte Teile des
Chores. Mit dem Wierderaufbau wurde sofort begonnen, aber nur der Obergaden
über den erhaltenen normannischen Arkaden wurde gebaut; das Gewölbe ent-
stand erst ein volles Jahrhundert später (1472—99)105. Stilistisch gehören die
Obergaden noch ganz in die Architektur der ersten Jahrhunderthälfte. Die Ver-
bindung zu London — wenn sie überhaupt bestand — hatte keine Nachwirkung,
sonst müßten zu dieser Zeit schon Perpendicular-Formen verwendet worden
sein. Statt dessen ist das Vorbild der Marienkapelle von Ely deutlich zu erkennen.
3. Die Nachfolge: Canterbury und Winchester
Die Dekorationskunst der Marienkapelle in Ely bot keinen Ansatzpunkt für
die Entwicklung neuer Ideen. Sie ist die höchste Steigerung, deren der Decorated
Style fähig war und blieb ohne Nachfolge in der englischen Architektur. Dagegen
gewann die Londoner Schule mehr und mehr an Einfluß. Für Winchester und
Canterbury, die beiden letzten großen Neubauten der Kathedralarchitektur,
war diese Verbindung zum Hofstil Voraussetzung. Die Erzbischöfe von Canter-
bury und die Bischöfe von Winchester standen immer in engem Kontakt mit dem
Hof. Von Canterbury waren die Baumeister für St. Stephen in London gekom-
103 Alle Angaben nach Dict., p. 215 ff.
104 Dict., p. 299.
105 Stewart, 1875, p. 36 ff.