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Bode, Wilhelm
Franz Hals und seine Schule: ein Beitrag zu einer kritischen Behandlung der holländischen Malerei — Leipzig, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.16216#0011
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Hals auf die Entwicklung der holländischen Malerei ausüben sehen. Durch
die Darlegung der künstlerischen Auffassung und Behandlung des Frans
Hals werde ich den Anhalt zu gewinnen suchen, um eine Anzahl von
Künstlern verwandter Richtung um ihn zu gruppiren und diese Schule
des Meisters in ihrer eigenthümlichen Stellung innerhalb der Kunst ihres
Landes zu charakterisiren.

Um die Bedeutung des Frans Hals richtig und vollständig zu wür-
digen, müssen wir zunächst einen kurzen Blick werfen auf die Entwicklung
der Malerei in Holland bis auf Hals und auf die Verhältnisse, unter
welchen sich dieselbe entfaltete.

Schon innerhalb der Schule der Gebrüder van Eyck, deren refor-
matorischer Geist in den Niederlanden jene glänzende von der italienischen
Benaissance unbeeinflusste Kunstblüthe erweckte, charakterisiren sich die
Maler aus den nördlichen Provinzen durch locale Eigenthümlichkeiten,
welche in dem holländischen Volkscharakter ihren Grund haben: einmal
durch die scharfe Betonung des Charakteristischen und Individuellen und
einen damit verbundenen derben Humor, zugleich aber auch durch das
hervortretende Streben nach dem Malerischen. Den stärksten Ausdruck
jenes ersten Zuges bieten die Werke des H. Bosch, das malerische
Streben ist am feinsten durch Dirk Stuerbout und in jenen seltenen
und frühesten Radirungen holländischer Meister aus der zweiten Hälfte
des XV. Jahrhunderts zur Geltung gekommen. Ein grosser Schritt
weiter zur kräftigeren Ausbildung dieser localen Eigenthümlichkeiten,
zu grösserer Selbständigkeit der holländischen Malerei geschieht durch
Lucas van Leyden; aus seiner genreartigen Auffassung der religiösen
Gegenstände, aus der Bedeutung der landschaftlichen Umgebung in
manchen seiner Bilder entwickelte sich naturgemäss eine selbständige
volksthümliche Genre- und Landschaftsmalerei, nachdem sich die nieder-
ländische Kunst für die historischen Gegenstände ausschliesslich der
Nachahmung einer fremden, der italienischen Kunst zugewandt hatte.
Diese Trennung der Malerei in ihre verschiedenen Fächer sehen wir
namentlich durch Holländer vollziehen: Sowohl die Genremaler P.
Aertzen und P. Brueghel wie die Portraitmaler J. Scorel und sein be-
rühmter Schüler A. Moro stammen aus Holland, wenn sie auch das Feld
ihrer Thätigkeit zum Theil in andern Ländern suchten und fanden. Bei
allen localen Verschiedenheiten können wir jedoch noch nicht von einer
besonderen flamändischen und holländischen Malerei reden, sondern immer
noch von einer gemeinsamen niederländischen Malerei; das Bewusstsein
einer solchen Trennung kommt sogar erst, nachdem dieselbe schon voll-
ständig vollzogen war, erst im Laufe des XVII. Jahrhunderts. Diese

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