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Bode, Wilhelm
Franz Hals und seine Schule: ein Beitrag zu einer kritischen Behandlung der holländischen Malerei — Leipzig, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.16216#0060
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forderte, geht daraus hervor, dass sich derselben Talente wie Brouwer
und Ostade, aber auch nur diese von allen Schülern des F. Hals unter-
zogen. Beide haben dieselben mit höchster Meisterschaft gelöst, aber
Beide auf sehr verschiedenen Wegen: Brouwer erscheint im Verlaufe seiner
gcsammten künstlerischen Thätigkeit stets als ein achter Schüler des
Hals, Ostade charakterisirt sich als solcher nur eine Zeit lang und er-
langt, wie wir sehen werden, seine volle künstlerische Eigenthümlichkeit
erst unter dem Einflüsse von Rembrandt's Kunstweise.

Adriaen Brouwer ist unter den Schülern des Frans Hals derjenige,
welcher sein innerstes Wesen am tiefsten in sich aufgenommen und zugleich
am selbständigsten verarbeitet hat; beide Meister sind ganze Künstler: der
Eine als Bildnissmaler, der Andere als Genremaler. Hals giebt — wie
wir sahen — selbst in seinen figurenreicheren Genrebildern nur eine
Zusammenstellung portraitartiger Volksstudien; Brouwer giebt dagegen
selbst in seinen Einzelfiguren stets ein abgerundetes Genrebild. Daher
geht mit seinem Streben nach Charakteristik die Betonung der Composition
Hand in Hand; denn in dem Kreise, welchem er seine Darstellungen
entnimmt, bietet das einzelne Individuum nicht jenes packende und dauernde
Interesse wie die Bildnisse des F. Hals, bietet die äussere Erscheinung der-
selben nicht jenen eleganten malerischen Reiz wie die Gesellschaften des
Dirk Hals; der Meister muss sich ganz versenken in das bewegte, schran-
kenlose Leben seines Völkchens, muss uns die mannigfachen Scenen des-
selben in abgerundeter Form wiedergeben. Und hierin, in der Naivität
seiner Schilderung, in der charaktervollen acht humoristischen Auffassung
und der vollendeten künstlerischen Freiheit können wir schwerlich einen
zweiten Meister dem Brouwer an die Seite setzen. Man hat ihn wegen
der ausserordentlichen Lebendigkeit und Bewegung seiner Schilderung
einen Flamänder — den Rubens unter den Genremalern genannt; aber
man verkennt und Übersicht dabei ganz die Eigenthümlichkeit der älteren
holländischen Malerei, deren künstlerisch vollendeter Repräsentant im Genre
gerade Brouwer ist. Wohnt nicht den Bildnissen des F. Hals dieselbe
gesteigerte Lebensfähigkeit inne? Spricht es nicht jeder ihrer Züge aus,
dass sie für Freiheit und Vaterland jeden Augenblick das Schwert zu
ziehen bereit sind, wie jene Burschen des Brouwer für den Stuiver, um
den sie im Spiele geprellt sind! Es ist die gleiche Welt, die aus den
Bildern des Hals wie des Brouwer hervorschaut, wenn auch in ihren
entgegengesetzten Polen. Daher sind auch die Gesetze, die Hals für die
Grosse Kunst aufstellt, von Brouwer im Kleinen wiedergegeben. Für
seine Zwecke hat der Meister die Farbengebung, das Colorit des Hals
entsprechend modificirt, den breiten markigen Vortrag desselben in seiner
 
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