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Anordnung des Kopfes eine sehr wenig künstlerische ist, eher für die Annahme, dass dieses Bildniss erst
später durch den Rahmen und vielleicht auch durch Verschneiden des einen der beiden Bildnisse,
zum Gegenstück des männlichen Kopfes gemacht worden ist.

Paulus Moreelse, dem wenig jüngeren Rivalen des Michiel van Miereveld, sind sieben Gemälde
zugeschrieben. „Mutter und Kind" (Nr. 705), richtiger wohl als Maria mit dem Kinde zu bezeichnen,
scheint mir keinerlei Beziehung zu Moreelse zu haben, vielmehr von der Hand eines geringen
deutschen Nachfolgers der italienischen Akademiker der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts
herzurühren. Auch das miniaturartige, auf Kupfer gemalte Hüftbild eines jungen Mannes in reicher
Tracht (Nr. 704), welches auf dem dunklen Grunde die Jahreszahl 1621 trägt, hat nicht die charakte-
ristischen Eigenthümlichkeiten des Moreelse. Mit dem bekannten Monogramme und der Jahreszahl 1627
/'N ist der „Hirtenknabe" (Nr. 703) bezeichnet. Das Bild wurde, wie A. Bredius wahr-
{'cheinlich gemacht hat, von der Provinz Utrecht als Hochzeitsgabe für die Prinzessin
I Amalia von Solms bei ihrer Vermählung mit dem Prinzen Friedrich Heinrich dem
( / /' Künstler in Auftrag gegeben. Es ist ein Bild recht nach dem Sinne jener Zeit: ein
/61y junger Bursche von weibischen Zügen, in bunter, halb phantastischer, halb modischer
° ' Tracht, einen Schäferslab in der Linken und mit der Rechten eine Rose präsentirend.
Die reiche Färbung ist von kaltem Ton, die Pinselführung vertrieben, fast glatt; in Farbe und Ton
verräth sich der Schüler des Abraham Bloemaert.
Von den übrigen vier Bildnissen, Gegenstücken von zwei jungen Ehepaaren, ist das Brustbild eines
jungen Mannes (Nr. 699) durch den hellen Ton, das zarte Grau der Färbung, die ssüssige Behandlung
das beste und zugleich ein besonders charakteristisches Werk des Moreelse. Von ähnlichen Vorzügen
ist das Brustbild einer jungen Frau (Nr. 702).

Anthoni Palamedesz, der bekannte Maler von Gesellschaftsstücken und Wachtstuben, hat
gelegentlich auch Bildnisse, klein oder in Lebensgrösse, gemalt. Die Schweriner Galerie besitzt ein
solches, das Bildniss der kleinen Constantia de Beywegh, deren Nachbildung in einer Radirung von
Kühn hier gegeben ist, da der kindliche Ausdruck des blonden Köpfchens und die helle bunte Tracht
eine besondere Anziehung ausüben, die über den künstlerischen Werth des Bildes hinausgeht.

Unter der älteren Generation der holländischen Bildnissmaler nimmt der Sohn des berühmten
Amsterdamer Bildhauers und Architekten Hendrik de Keyser, der zu Amsterdam 1596 oder 1597 geborne
Thomas de Keyser nächst Frans Hals unbestritten den ersten Platz ein. Seine stattlichen Regenten-
stücke und seine Anatomie im Ryks-Museum zu Amsterdam, seine lebensgrossen Einzelbildnisse, welche
nicht so seiten sind als man früher annahm, da sie sich unter allerlei falschen Benennungen verbargen,
sind namentlich durch ihre plastische Modellirung, die energische und lebensvolle Wiedergabe der
Individualität, die kräftige, satte Färbung selbst vor den Bildnissen der Miereveld, Moreelse und anderer
in ihrer Zeit weit mehr geschätzter Maler ausgezeichnet. Eigenartiger noch und anziehender ist aber
Thomas de Keyser in seinen Bildnissen von kleinerem Umfang, namentlich in denen mit ganzer Figur.
Eine Reihe solcher Gemälde sind uns erhalten: bald Einzelfiguren, bald ein Ehepaar oder Familien- und
Regentenbilder. Durch die Anordnung der Figuren in ihrer alltäglichen Umgebung, in dem getäfelten
Wohnzimmer oder im Garten, auf dem Spaziergang durch die Felder des Gutes oder im Festsaal des
Stadthauses erhalten diese Bilder einen ganz besonderen Reiz. In diesen durch Grösse und Umgebung
halb sittenbildlichen Porträtstücken sleht Thomas de Keyser zwar nicht ganz allein da; wir besitzen
ähnliche kleinere Bildnisse von Frans Hals, von J. G. Cuyp, von A. Palamedesz. Ja, letzterer geht in der
 
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