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DIE DEUTSCHEN MALER DES SIEBZEHNTEN UND
ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERTS.
SIE Geschichte der Malerei in Deutschland während des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts
_ ! ist gewiß eines der unerquicklichsten Kapitel der Kunstgeschichte. Eine Verwilderung der Kunst,
wie sie der dreissigjährige Krieg herbeiführen musste, werden wir uns gefallen lassen, sobald noch
wirkliches Talent in den Produkten verrohter Kunstübung sich kundgibt; nüchterner Eklekticismus
wird erträglich erscheinen, wenn das forschende Auge die Keime einer neuen Kunstblüthe in solchen
Erzeugnissen zu entdecken im Stande ist. Weder nach der einen noch nach der anderen Richtung
wird der Forscher, der die deutsche Malerei der letzten beiden Jahrhunderte sich zum Ziel gesetzt hat,
seine mühsamen und ermüdenden Studien belohnt finden. In der Fülle von Malern dieser Zeit, die an
Zahl hinter den Meistern der Blüthezeit der deutschen Kunst am Ende des fünfzehnten und im Anfänge
des sechzehnten Jahrhunderts kaum zurückstehen, sind nur ganz wenige, welche auf den Namen eines
Künstlers Anspruch haben. Die talentvolleren unter ihnen, durch die Berührung mit der fremden
Kunst geweckt und meid auch im Auslancle grossgezogen, versuchen ihr Heil in der Fremde, ohne
aber hier mit der heimischen Kunst in erfolgreichen Wettkampf eintreten zu können. An ihrer Statt
werden, meist durch fürstliche Mäcene, Künstler vom Auslande herangezogen, welche zumeist, trotz
ihrer Überlegenheit über die heimischen Maler, nur einen geringen Begriff von der Kunst ihres Landes
geben; daher waren sie auch keineswegs geeignet, anregend und fördernd auf die Entwicklung der
deutschen Malerei zu wirken. Diese fremden Gäste wurden den heimischen Künstlern regelmäßig stark
bevorzugt und drücken dieselben dadurch in eine untergeordnete ärmliche Stellung herab, welche auf
ihre Kunst ungünstig zurückwirken musste.
Das Studium der deutschen Malerei in diesen beiden Jahrhunderten hat daher in erster Linie ein
culturhistorisches Interesse, indem es uns das Bild der Zeit vervollständigt. Die Gemälde der Künstler
dieser Epoche haben als Illustrationen der Zeit, in welcher sie entstanden, meist eine größere Wichtig-
keit denn als Kunstwerke — eine Bezeichnung, auf die nur wenige überhaupt einen Anspruch erheben
dürfen. Aber gerade durch diese Bedeutung für die Geschichte unseres Vaterlandes in der Zeit seiner
furchtbarsten Verwüstung und Verödung während und nach dem dreißigjährigen Kriege und in der
folgenden Periode des langsamen Erwachens aus der schweren Ohnmacht, welche nur ganz allmälig
eine Erstarkung zunächst auf moralischem und literarischem Gebiete herbeiführte, ist das Studium der
deutschen Malerei im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert eine Pflicht, der wir uns nicht entziehen
sollen; eine Pssicht, die sich dadurch vielfach lohnen wird, dass uns dies Studium interessante und selbst
bedeutungsvolle Einblicke in die Culturgeschichte jener Zeit eröffnet. —
Es ist eine eigenthümliche Erscheinung in der Geschichte der deutschen Kunst, der Malerei wie
der Plastik, dass sie unmittelbar nach ihrer höchsten Blüthe in völliger Ohnmacht zusammenbricht. Das
Todesjahr Holbeins ist die Grenzseheide, über welche hinaus kaum ein nennenswerthes Gemälde in
Deutschland mehr entstanden ist; die bildnerische Thätigkeit war schon ein Jahrzehnt früher erlahmt.
In der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, der eigentlichen Blüthezeit des Kunsthandwerkes
in Deutschland, müssen fremde Künstler herbeigezogen werden, wenn es sich um eine größere plastische
oder malerische Aufgabe handelt. Erst um die Wende des Jahrhunderts hat Deutschland wieder ein
paar eigenartige Maler aufzuweisen: Rottenhammer 1 und Elsheimer; auch sie sind jedoch Kleinmaler,
1 Die Schweriner Galerie besitzt in der „Heiligen Familie" (Nr. 896) ein besonders ansprechendes farbiges Werk des Rottenhammer,
welches nach dem starken Einssusse Tintoretto's, der sich darin kundgibt, noch in Venedig entstanden sein wird.
DIE DEUTSCHEN MALER DES SIEBZEHNTEN UND
ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERTS.
SIE Geschichte der Malerei in Deutschland während des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts
_ ! ist gewiß eines der unerquicklichsten Kapitel der Kunstgeschichte. Eine Verwilderung der Kunst,
wie sie der dreissigjährige Krieg herbeiführen musste, werden wir uns gefallen lassen, sobald noch
wirkliches Talent in den Produkten verrohter Kunstübung sich kundgibt; nüchterner Eklekticismus
wird erträglich erscheinen, wenn das forschende Auge die Keime einer neuen Kunstblüthe in solchen
Erzeugnissen zu entdecken im Stande ist. Weder nach der einen noch nach der anderen Richtung
wird der Forscher, der die deutsche Malerei der letzten beiden Jahrhunderte sich zum Ziel gesetzt hat,
seine mühsamen und ermüdenden Studien belohnt finden. In der Fülle von Malern dieser Zeit, die an
Zahl hinter den Meistern der Blüthezeit der deutschen Kunst am Ende des fünfzehnten und im Anfänge
des sechzehnten Jahrhunderts kaum zurückstehen, sind nur ganz wenige, welche auf den Namen eines
Künstlers Anspruch haben. Die talentvolleren unter ihnen, durch die Berührung mit der fremden
Kunst geweckt und meid auch im Auslancle grossgezogen, versuchen ihr Heil in der Fremde, ohne
aber hier mit der heimischen Kunst in erfolgreichen Wettkampf eintreten zu können. An ihrer Statt
werden, meist durch fürstliche Mäcene, Künstler vom Auslande herangezogen, welche zumeist, trotz
ihrer Überlegenheit über die heimischen Maler, nur einen geringen Begriff von der Kunst ihres Landes
geben; daher waren sie auch keineswegs geeignet, anregend und fördernd auf die Entwicklung der
deutschen Malerei zu wirken. Diese fremden Gäste wurden den heimischen Künstlern regelmäßig stark
bevorzugt und drücken dieselben dadurch in eine untergeordnete ärmliche Stellung herab, welche auf
ihre Kunst ungünstig zurückwirken musste.
Das Studium der deutschen Malerei in diesen beiden Jahrhunderten hat daher in erster Linie ein
culturhistorisches Interesse, indem es uns das Bild der Zeit vervollständigt. Die Gemälde der Künstler
dieser Epoche haben als Illustrationen der Zeit, in welcher sie entstanden, meist eine größere Wichtig-
keit denn als Kunstwerke — eine Bezeichnung, auf die nur wenige überhaupt einen Anspruch erheben
dürfen. Aber gerade durch diese Bedeutung für die Geschichte unseres Vaterlandes in der Zeit seiner
furchtbarsten Verwüstung und Verödung während und nach dem dreißigjährigen Kriege und in der
folgenden Periode des langsamen Erwachens aus der schweren Ohnmacht, welche nur ganz allmälig
eine Erstarkung zunächst auf moralischem und literarischem Gebiete herbeiführte, ist das Studium der
deutschen Malerei im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert eine Pflicht, der wir uns nicht entziehen
sollen; eine Pssicht, die sich dadurch vielfach lohnen wird, dass uns dies Studium interessante und selbst
bedeutungsvolle Einblicke in die Culturgeschichte jener Zeit eröffnet. —
Es ist eine eigenthümliche Erscheinung in der Geschichte der deutschen Kunst, der Malerei wie
der Plastik, dass sie unmittelbar nach ihrer höchsten Blüthe in völliger Ohnmacht zusammenbricht. Das
Todesjahr Holbeins ist die Grenzseheide, über welche hinaus kaum ein nennenswerthes Gemälde in
Deutschland mehr entstanden ist; die bildnerische Thätigkeit war schon ein Jahrzehnt früher erlahmt.
In der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, der eigentlichen Blüthezeit des Kunsthandwerkes
in Deutschland, müssen fremde Künstler herbeigezogen werden, wenn es sich um eine größere plastische
oder malerische Aufgabe handelt. Erst um die Wende des Jahrhunderts hat Deutschland wieder ein
paar eigenartige Maler aufzuweisen: Rottenhammer 1 und Elsheimer; auch sie sind jedoch Kleinmaler,
1 Die Schweriner Galerie besitzt in der „Heiligen Familie" (Nr. 896) ein besonders ansprechendes farbiges Werk des Rottenhammer,
welches nach dem starken Einssusse Tintoretto's, der sich darin kundgibt, noch in Venedig entstanden sein wird.