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sich dadurch, noch ein Knabe, schon zu einer gewissen tüchtigen Eigenart aus. In diesen Zeichnungen
steht der junge Gerrit Meistern wie dem alten Claes Jansz Visher und Hendrik Avercamp nahe. Die
Werke des Letzteren und wohl auch seine Person waren dem jungen Ter Borch gewiss bekannt; liegt
doch Kampen, die Heimat Avercamp's, nur zwei Wegstunden von Zwolle entfernt.
Im Jahre 1632 finden wir Gerrit in Amsterdam, wie die Beischrift auf der Zeichnung eines Studien-
kopfes von seiner Hand beweist. Der Vater, der die Ausbildung des Knaben mit Verständniss leitete,
war einsichtig genug, den Augenblick wahrzunehmen, in welchem der begabtere Sohn seiner Lehre
entwachsen war. Welchem Künstler er denselben in Amsterdam anvertraute, dafür fehlt es bisher an
sicherem Anhalt. Der Umstand, dass verschiedene mit den Jahreszahlen 1632 und 1633 versehene Skizzen
von „cortegaerdjes", von Officieren auf dem Eise u. s. f. vorkommen, und dass ähnliche Zeichnungen mit
grosser Wahrscheinlichkeit in dieselbe Zeit gesetzt werden müssen, legt die Vermuthung nahe, dass der
berühmteste Gesellschaftsmaler von Amsterdam in jener Zeit, Pieter Codde, hier der Lehrer von Gerard
Ter Borch war. Dafür spricht auch der Charakter dieser Zeichnungen und verschiedener, jetzt für den
Künstler gesicherter Gemälde gleichen Motivs, die in dem kühlen graulichen Ton, der feinen Färbung,
ssüssigen Behandlung, wie in der Anordnung, in der Zeichnung, ja selbst in den Typen den früheren
Werken des P. Codde am nächsten slehen. Freilich brauchen sie desshalb keineswegs alle schon damals
in Amsterdam entwanden zu sein; das einzige datirte Gemälde dieser Art, im Besitze von Mr. Yonides
zu London, ist sogar erst vom Jahre 1638, als Ter Borch Amsterdam schon seit vier Jahren verlassen
hatte. Doch ist dasselbe das vollendetste und daher auch wohl das jüngste dieser Gemälde: die Wacht-
stuben in der Kunsthalle zu Bremen und im Besitze von Herrn Werner Dahl1 zeigen in der Anordnung
und Zeichnung noch eine zaghaftere, weniger geübte Hand, so dass wir danach berechtigt sind, sie um
eines oder einige Jahre früher anzusetzen. Schon in diesen Jugendwerken, die Arbeiten eines Jünglings
von 17 bis 21 Jahren, ist Ter Borch allen eigentlichen „Gesellschaftsmalern", insbesondere auch dem
P. Codde überlegen.
Lange kann Ter Borch's Aufenthalt in Amsterdam nicht gewährt haben, da ein Brief des alten
Ter Borch an seinen Sohn vom 3. Juli 1635 schon nach England gerichtet ist und in diesem Briefe von
einem Studienaufenthalte des jungen Künstlers in Haarlem die Rede ist. Hier war, wie wir aus dem-
selben Schreiben erfahren, Pieter Molyn der Lehrer des Künstlers. Dies betätigen auch ein Dutzend
Zeichnungen dieses Meisters im Familienalbum, die sämmtlich die Jahreszahl 1634 tragen. Der Einssuss
desselben lässt sich aber auch unschwer in einer Reihe von Studien und Zeichnungen des jungen Ter
Borch (zum Theil mit Motiven aus Haarlem und seiner Umgebung) verfolgen, von welchen mehrere mit
der Jahreszahl 1634 bezeichnet sind.2 Das einzige durch ein Datum gesicherte Gemälde dieses Haarlemer
Aufenthaltes ist „Die Consultation" in der Berliner Galerie, aus dem Jahre 1635. Die Figuren dieses
kleinen Bildes treten fast zurück gegen das Beiwerk: die Folianten, Spiegel, Todtenschädel, Stunden-
glas, die malerisch auf einem Tische übereinander liegen. Im Motiv wie in Auffassung und Anordnung,
namentlich aber in dem etwas schweren und einförmigen grauen Tone und der malerischen Behandlung
steht hier der junge Ter Borch verschiedenen Stilllebenmalern aus der Schule des Frans Hals, nament-
lich dem jüngeren Frans Hals, ganz nahe, und wir dürfen hieraus wohl auf Beziehungen desselben zu
dem grossen Meister von Haarlem, zum alten Frans Hals, schliessen.
In der Liste der Künstler Haarlems von Laurens van der Vinne ist Gerard Ter Borch, wie A. van
der Willingen angibt, im Jahre 1635 verzeichnet; derselbe wurde also sehr wahrscheinlich im Frühling
1 A. Bredius bezeichnet eines der dem Duck zugeschriebenen Gemälde im Louvre als ein zweifelloses Jugendwerk des G. Terborch.
Dasselbe erscheint mir jedoch bei wiederholter Prüfung als charakteristisches Werk des Duck, dessen Namen er auch von Alters her führte.
2 Nach einer Mittheilung von A. Bredius wurde auf einer Versteigerung von 191 Gemälden, die Jan van Goyen 1647 im Haag abhielt,
ein „Hauptstück von Ter Borch und Molyn (Nr. 156)" mit 50 ss. bezahlt.

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