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Schilderung todter Thiere begreife, gleich mit der Loslösung der holländischen Kunst von der
altniederländischen in's Leben. In der ersten Epoche ihrer Entwicklung, die ihre Ausläufer bis gegen
die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts erstreckt, bekunden sich die localen Strömungen, welche
für diese Periode überhaupt charakteristisch sind, innerhalb der Darstellung des Stilllebens ganz
besonders stark. Schon nach den Motiven können wir meist mit Sicherheit angeben, ob das eine oder
andere Stillleben von einem Haarlemer Maler oder von einem Leidener, Amsterdamer u. s. f. gemalt
worden ist. Diese Verschiedenheit der Motive und theilweise auch die verschiedene Auffassung und
Behandlung lassen interessante Rückschlüsse zu auf den Charakter der Stadt und ihrer Bewohner, die
in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts, obgleich im Umkreise von wenigen Meilen belegen, noch
eigenthümlich abgeschlossen erscheinen. Die Maler der alten reichen Patrizierstadt Haarlem lassen den
Beschauer sich an der Erinnerung der Tafelfreuden ergötzen; bald schildern sie den überladenen Tisch des
Reichen, bald das frugale Frühstück des Armen, dem seine Stange Bier zu ein paar Austern und etwas
Käse und die Aussicht auf eine Pfeife Tabak den Appetit gewiss nicht weniger reizten als die Pfauen-
pasteten mit Se& den verwöhnten Magen des reichen Junkers. Wieder andere Haarlemer Künstler wählen
das prunkende Tafelgeschirr des Reichen aus dem Atelier der Goldschmiede Lutma und van Vianen zum
malerischen Vorwurf. Dem lukullischen Haarlem tritt das nahe Leiden mit Würde und Prätension als die
alte Universitätsstadt gegenüber: die Stillleben der Leidener Maler sind malerische Zusammenstellungen
von Büchern in schweinsledernen Einbänden, von Schreibutensilien, Musikalien und Musikinstrumenten;
daneben ein Gläschen Dünnebier und ein Thonpfeifchen, ein Genuss, den sich auch der Gelehrte gestatten
darf; aber auch Todtenkopf, Stundenglas und Licht als Symbole der Vergänglichkeit aller irdischen
Gelehrsamkeit und Genüsse. Im Haag ist es nicht der fürstliche Hof, sondern der berühmte Fisch-
markt des nahen Scheveningen, dem die Maler des Haag die Motive zu ihren Stillleben entlehnen. In
Utrecht wieder legen reformirte Flüchtlinge aus den spanischen Niederlanden den Grund zu den farben-
prächtigen Schilderungen von Blumen und Früchten, die dort bald in Jan de Heem ihren grössten
Meister finden. In Amsterdam fasst die Stilllebenmalerei erst gründlich Fuss, als dort Rembrandt's
Auftreten bereits eine neue, die glänzendste Phase der holländischen Malerei hervorgerufen hatte. Die
mannigfache und grossartige Entwicklung des Stilllebens wird hier daher wesentlich durch künstlerische
Gesichtspunkte bestimmt, die auch für die Wahl der Motive in erster Linie ausschlaggebend sind.
Unter den zahlreichen Stillleben der Schweriner Galerie gehört weitaus die Mehrzahl dieser
späteren Zeit der holländischen Malerei an; nur einige wenige sind von den Meistern der ersten Epoche.
Unter den Letzteren ist Willem Claesz. Heda mit drei Gemälden im Kataloge verzeichnet. Heda
war bis vor Kurzem der einzige bekannte Vertreter der älteren Haarlemer Stilllebenmalerei; alle
„Frühstückstische" pssegten auf seinen Namen zu gehen. Seit man die Bilder genauer auf ihre Bezeich-
nungen geprüft hat, sind eine nicht unbeträchtliche Zahl von Meistern für alle diese Bilder entdeckt
worden: namentlich Pieter Claesz, Marten Boelema de Stomme, Laurens Kraen, Koets u. A., mehrere
darunter gewiss Nachfolger oder Schüler des Heda; aber auch Antwerpener Meister, wie C. Mahu,
Clara Peeters, Isack Wigans u. A. Unter allen diesen Concurrenten ist aber Heda der hervorragendste,
so einfach seine Motive sind, so einseitig er in denselben erscheint. Denn nur ganz ausnahmsweise hat er
einen anderen Vorwurf gewählt: das Braunsehweiger Museum besitzt die Zeichnung eines jugendlichen
Johannes, vom Jahre 1626, der fast ebenso manierirt erscheint, wie eine Danae, welche vor etwa zehn
Jahren der Berliner Galerie zum Kaufe angeboten wurde.
Die drei dem Heda zugeschriebenen Gemälde sind sämmtlich als „Frühstückstische" bezeichnet.
Wie fast alle Gemälde dieses Künstlers sind sie unter sich so verwandt, dass die Bestandtheile eines guten
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