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behandelt als seine meisten Bilder, aber im Übrigen erhebt es sicli doch nicht über das geringe künst-
lerische Maass der Mehrzahl seiner Werke. Eine grössere Wiederholung dieses Bildes, aus demselben
Jahre 1654, besitzt die Galerie zu Gotha.
Eine mehr malerische Auffassung des Architekturbildes führen die Maler von Delft ein, Gerard
Houckgeest und Hendrick Cornelisz van Vliet. Von Letzterem besitzt die Schweriner Galerie eine
treffliche grössere Ansicht des Inneren der Kirche zu Delft aus dem Jahre 1659, welche den Werken des
grössten unter Hollands Architekturmalern, Emanuel de Witte, ganz nahe kommt. Die zarte Wirkung
des einfallenden Sonnenlichtes, die etwas sseckig vertheilten Schatten, die feine Färbung der Costüme,
worin ein kräftiges Roth dominirt, finden sich so ähnlich in den Gemälden des Emanuel de Witte, dass
Dr. Bredius wohl mit Recht einen Einssuss des van Vliet auf den jüngeren Künstler während dessen
Aufenthaltes in Delft (von 1642 bis 1649) annimmt. Zu voller Eigenart und Meisterschaft gelangt de
Witte jedoch erst in Amsterdam, unter dem Einssusse Rembrandt's.


Unter den Architekturmalern pflegt man auch Jan van der Heyden mit aufzuzählen. Die Archi-
tektur spielt ja in seinen Grachten, Strassen und Plätzen eine bedeutende Rolle, jedoch immer nur als
ein Theil der Landschaft, gewissermassen als Staffage derselben. Van der Heyden ist sogar mit einem
ganz besonders feinen landschaftlichen Sinn begabt; Luft und Licht sind mit besonderer Meisterschaft
beobachtet. Das wechselnde Spiel von Licht und Schatten in den Strassen und auf den Grachten der
holländischen Städte, die rothen Backsteinbauten, welche hinter dem Laub der Bäume sich leuchtend
abheben, und ihr Spiegelbild auf der ruhigen Wasserssäche zeigen, üben einen eigenartigen Reiz aus.
Die Bilder des J. van der Heyden sind bei uns in Deutschland sehr seiten; Schwerin besitzt deren
so viele wie keine andere deutsche Sammlung, leider sind sie herzlich unbedeutende, späte und manie-
rirte Arbeiten des Künstlers. Die kleine „Stadtansicht" (Nr. 473) ist merkwürdig unter den Arbeiten
des Jan van der Heydn durch die reiche biblische Staffage: Mardachais Ehrenritt vor den Thoren der
Stadt ist dargestellt, wobei der Künstler seine Vaterstadt etwas phantastiscli und alterthümlich ausgeputzt
wiedergegeben hat. Hier wie in einem zweiten Bilde von gleichem Umfange („An der Burgmauer"
Nr. 474) sind die einzelnen Steine der Backsteinbauten so bestimmt gezeichnet, dass man sie zählen
kann, trotz ihrer Winzigkeit; das Laubwerk der Bäume erscheint wie Mückensehwärme; die Schatten
sind schwer, die Lichtwirkung ist hart. „Das Bergthal" (Nr. 475) ist eines der seltenen rein landschaftlichen
Bilder des Künstlers; in der Behandlung, namentlich des Baumschlages, den eben genannten Bildern
ähnlich, ist es vor ihnen doch durch eine reichere und gefälligere Composition, durch leichtere und
freiere Behandlung ausgezeichnet. Das Bild sieht einer Rheinlandschaft des H. Saftleven nicht unähnlich.
Als van der Heyden diese Bilder malte, betrieb er die Malerei nur noch ausnahmsweise in Musse-
stunden; seine Zeit war durch eine Anstellung bei der Amsterdamer Feuerwehr fasst ausschliesslich in
Anspruch genommen. Die Amsterdamer Mäcene müssen damals einen eigenthümlichen Geschmack
gehabt haben; zur Zeit der höchsten Blüthe Hollands, als Amsterdam die reichste Stadt der Welt war,
überliess man Rembrandt der Habgier reicher Gläubiger, schickte man Ruisdael nach Haarlem in ein
Armenhaus, während Aart van der Neer mit der bittersten Noth kämpfte und Hobbema sich durch
Vermittlung einer Köchin eine Stellung als Unterbeamter an der Steuer verschaffen musste, um nur
leben zu können!
 
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