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Bodmer, Johann Jacob [Hrsg.]; Manesse, Rüdiger [Hrsg.]
Sammlung von Minnesingern aus dem schwaebischen Zeitpuncte: CXL Dichter Enthaltend (Band 2) — Zürich, 1759

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https://doi.org/10.11588/diglit.4111#0003

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ss) o c as iä

Die nette Pracht, die in der Maneßsden Urkunde in die Augen fbcllt, giebt ein
starkes Vorurrheil zu Gunst dieses Werkes in Absicht auf die Genauigkeit
und die Geichiklichkeit des Schreibers. Es ist ganz vermuthlich, daß die
Manejfeh nicht einen ungelehrcen, der Sprache und des Minne - Gesanges uner-
fahrnen Mann zu dieser Arbeit gedungen haben, wenn nicht der Canonicus
Mantße, wie wir sonst vermutheten, ielbst sich damit beschxftieet hat. In der
That hüben wir in dem vielfältigen Umgänge mit diefer Handiclirift yberssyssige
Proben beobachtet, daß. man sich in dieser guten Meinung nicht betrogen habe.
Wir haben nach einer zweiten und dritten Ubersehung sehr richtige Les-
arten und einen ganz geschikten Sinn da entdeket, wo oft der erste Anblik eine
undurchbrechliche Dunkelheit vor sich fand. Wer nicht mit der ncethigen Ge-
duld lesen wird, oder dem es an genugsamer Uebung in der Sprache und der
Denkart der Minneßnger mangelt, werden oft dem ersten Abschreiber Versehen an-
schuldigen, wenn sie selbst Schuld haben , indem sie seheene und poetische Stellen
fyr ungeschikt oder unergryndlich halten. Und wir myssen fyrehten , daß an-
dere , die denselben anzuklagen Bedenken haben, den Fleiß und die Treue der
Herausgeber in Verdacht ziehen werden.
Ehe man so schnell urtheilt, wollten wir bitten zu yberlegen , daß es un-
sern alten Dichtern nicht ungewoehnlich war, ein Wort, das oft ein einsylbiges
war, welches den Verstand der vorhergehenden Zeile schloß, in den folgenden
Vers zu werfen, wo es ganz Verlanen steht, als ob es zu diesem Verse geheerte,
Man bedenke ferner, wie sehr eigen es ihnen war, die Woerter aus der gewoehn-
lichen Fygung zu versezen, und bisweilen seltiäm genug zu zerstreuen; wie
gerne sie Einschieblele von verschiedener Natur, und oft von einiger Lainge ma-
cheten. Man erinnere sich, wie sie etwa in der Hcehe ihrer Affe&en die Minne
oder Seide unerwartet und unverwarnet einfyhrcn etwas: weniges zu /brechen;
endlich nehme man in acht, wie gelauifig es ihnen ist, die Rede mit derPerson
oder der Sache, der sie etwas zu seyn oder zu thun geben, schlechtvyeg anzu-
fangen, und wenn sie so das Subject voran gehen lassen, ihm auch leinen Arti-
kel zu nehmen. Dann wird man so viele Schlyssel haben, die jedem denkenden
Leser den Sinn der Dichter ausschliessen werden.
Gewiß je tiefere Einsichten einer in den Genie der alten Sprache, ferner in
das Gemythe dieser Dichter, in ihre Art zu denken, und die Sache in einem ge-
vvissen Gesichtspunkten, der ihnen eigen war, zu fallen, haben wird, je mehr Deut-
lichkeit und Bestimmung wird er in ihrer Schreibart entdeken, und so vielmehr
wird der manessische Librarius mit den Herausgebern vor ybereilten Besriedi-
gungen verwahrt bleiben:, X a Wir
 
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