Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

C. G. Boerner, Auktions-Institut, Kunst- und Buchantiquariat <Leipzig> [Hrsg.]
Manuskripte mit Miniaturen des XIII. bis XV. Jahrhunderts - dabei die Weltchronik des Rudolf von Ems sowie ein prachtvolles römisches Missale, Einzelminiaturen des XII. bis XVI. Jahrhunderts von ausgesuchter Qualität, Originalhandzeichnungen des XV. bis XVII. Jahrhunderts - dabei eine wertvolle Sammlung von deutschen und niederländischen Zeichnungen des XV. Jahrhunderts: Versteigerung: Donnerstag, den 28. November [1912] (Katalog Nr. 110) — Leipzig, 1912

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16500#0024
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I. Manuskripte des XIII. bis XV. Jahrhunderts

Rudolf von Ems, Die Weltchronik.

i Manuskript auf Papier vom Jahre 1402, mit 281 kolorierten Federzeich-
nungen. Süddeutsch (bayrisch). 353 Blatt in 2 Spalten. Schriftspiegel ca. 215 :150 mm.
Folio (295:210 mm). Halbleder.

In der Weltchronik dichtete Rudolf von Ems (um 1250) die Bücher des alten Testa-
mentes bis zum Tode Salomonis in deutsche Reime um und streute unter die heiligen Geschichten
die Geschichten der Heiden. Sein Werk ist das erste und weit hinaus das einzige, welches dem
Stande der Ungelehrten die Geschichte des alten Testamentes in vollständigem Zusammenhange
mitteilte, und es muß behauptet werden, daß die gesamte Kunde des alten Testamentes, welche
während des 14. und 15. Jahrhunderts im Besitze der weltlichen Stände war, einzig und allein
aus Rudolfs Buch geflossen ist. Im Anfang gibt Rudolf nach der Erzählung vom Turmbau zu
Babel und von der Zerstreuung der Geschlechter eine ausführliche Geographie der damals
bekannten Länder, die Doberentz in der Zeitschrift für deutsche Philologie, Bd. 12 u. 13, 1881
bis 1882, behandelt hat.

Unser Kodex enthält die ältere Rezension, hier und da untermischt mit Stücken der jüngeren,
der sogen. „Christ herre-Chronik", z. B. in der Geschichte von Joseph und von Moses (vgl.
Vilmar, die zwei Rezensionen und die Handschriftenfamilien der Weltchronik Rudolfs von
Ems, Marburg 1839).

Leider fehlen am Anfang 13 Blatt (die Lage 1 und das erste Blatt der Lage 2). Das erste
vorhandene Blatt beginnt: ,,In den wüsten landen da | Daz ander lant ist India" (Doberentz
a. a. C1., Bd. 13, S. 172, Vers Iii). Der geographische Abschnitt ist also bis auf 110 Verse
vollständig vorhanden. Es folgen die Bücher Moses, das Buch Josua, das Buch der Richter, die
beiden Bücher Samuelis (Bl. 197b die Widmung an König Konrad IV.), das I. Buch der
Könige bis Kap. 11 (Tod Salomos Bl. 306 b). Hier endet die Dichtung Rudolfs. Die Fortsetzung
ist von einem anderen, unbekannten Dichter, sie reicht bis I. Könige, Kap. 15 (Bl. 308 b et). Dann
schließen sich an: Die Geschichte Hiobs (Bl. 308b bis 311b), die Geschichte Nebukadnezars
und Daniels (311b bis 327 a), Alexanders (327a bis 335 a), Seleukus und Antiochus (335 bis
336b), Hiskias (336b bis 337b), ,,ze Rom ein Münig hiez Cosoram (der sich einen goldenen
Turm baute. „Seyn sün der da mit her lag ) . . . pey der Taunnaw [ Oberchalben pazzau", wird
von den Bayern, Böhmen und Polen unter dem Feldherr Erachius besiegt, in dem Turm finden
diese das heilige Kreuz, 337 b bis 340 a), Nero (mit der Erzählung, wie Nero eine Kröte gebar,
340a bis 346a). ■— Die Geschichte von Elias und Elisa (346a bis 353b).

Die Handschrift endet Bl. 353b«: ,,Allhie wil ich nicht mehr veriehen | von der propheten
leben | Got müs vns allen geben | Sein reich durch seinen namen | So sprechet alle geleich mit
mir | AMEN." Darunter, rot geschrieben:

Hie hat daz puch ein end
Got berat all eilend
Rathan was ist daz
der lemtig auff den toten saz
von dem lachen daz der tot tat
Starb der lemptig an der stat.
Hie ist das puch vollendet
worden Anno domini Moc0c0c0c0ij°
In vigilia Concepcionis mariae.

Durch die 281 schönen farbigen Federzeichnungen ist der Kodex vielleicht
die am reichsten illustrierte Handschrift der Weltchronik.

Die Bilder sind frisch gezeichnet und ausgemalt. Die metallischen Teile, Helme, Rüstungen,
Schwerter, Verzierungen der Kleider u. ä. hat der Illuminator mit Silber gehöht (vgl. die Tafeln).
Auf dem Bild Bl. 85, Moses teilt das Meer, ist die Vorzeichnung mit Blei für eine andere
Gruppierung gut zu erkennen. Stehen zwei oder mehrere Bilder auf einer Seite, so sind sie
durch, zwei gelbe Streifen, einem dunklen und einem hellen, getrennt. Auffallend ist, daß oft
zuerst die Bilder ausgeführt, dann erst die Verse herumgeschrieben sind. Hier und da hat der
Rubrikator Fehler des Schreibers rot verbessert.

Die Federzeichnungen waren das eigentliche Ausdrucksmittel der Volksphantasie. Der
Künstler hatte das Bestreben, durch sie dem Beschauer, dem der Text etwas Nebensächliches
war, vor allem Unterhaltung zu bieten. Das kommt besonders bei den Szenen zum Ausdruck,
die ihm gestatteten, seiner Phantasie und Laune freien Lauf zu lassen : Das wüste Schlachten-

Auktions-Katalog CX von C. G. Boerner. Miniaturen und Handzeichnungen.
 
Annotationen