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Bötticher, Carl
Der Zophorus am Parthenon: hinsichtlich der Streitfrage über seinen Inhalt und dessen Beziehung auf dieses Gebäude — Berlin, 1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.4096#0005
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2 Gegensätzliches Vorhältniss der Auslegungen.

tung, das ursprüngliche Programm für Zwekk und Bestimmung des ganzen
Gebäudes folgern zu können.

Die baulich - archäologische Abhandlung über den Parthenon in der
Berliner Zeitschrift für Bauwesen vom Jahre 1852, welche den ersten durch-
greifenden Versuch in diesem Sinne brachte, enthielt natürlich auch eine
Deutung vom Inhalte des Bildwerkes im Zophorus dieses Gebäudes: sie be-
zog dasselbe auf die praktische Verwendung des gegenständlichen Inhaltes
der Räumlichkeiten welche das Reliefband umschliesst. Hierin trat sie je-
doch von der herkömmlichen Deutung des Bildwerkes so völlig abweichend
auf, dass man sie nebst der ganzen Ansicht über die Bestimmung des Mo-
numentes, als ein ganz unerhörtes Paradoxon betrachtete. Obwohl ihre Con-
sequenzen — wenn sie nicht widerlegt werden konnte — eine einschneidende
Wirkung auf vorwiegende Doctrinen der heutigen Alterthumskunde äusseren
mussten, vermied man es dennoch auf eine exaete wissenschaftliche Unter-
suchung derselben einzugehen: allein die Sache war einmal in das Leben
getreten, auch bei ihrem gegenständlichen Gewicht unmöglich todtzuschweigen;
nur war es natürlich dass man bei der plötzlichen Erscheinung so befrem-
dender Annahmen, erst der Müsse bedurfte dieselben zu erwägen, vorsichtig
zu prüfen und schliesslich zu beseitigen. Wohl sind auch nach und nach
viele, sehr viele missbilligende Aeusserungen laut geworden, alle blieben je-
doch bloss unbegründete und subjeetive Meinungen, die sich noch dazu sehr
oberflächlich um ganz Vereinzeltes drehten: den ganzen Gegenstand in seinem
innersten Kerne und Wesen zu fassen hat ein Jeder gescheut, die kunst-
wissenschaftliche Kritik versagte in diesem Falle ihre Belehrung. Erst nach
zwei Jahrzehnten ist von einem ausgezeichneten Gelehrten, wohl dem
geistvollsten der jüngeren archäologischen Richtung, von Adolph
Michaelis in seiner umfangreichen Monographie des Parthenon*), der
Gegenstand einer sehr ausführlichen Beurtheilung unterzogen worden, in der
mir zugleich, offen genug, die Veranlassung entgegengetragen wird die in
derselben verdammten Thesen meiner Ansicht zu rechtfertigen und einmal
positiv zu begründen. Michaelis pflichtet zwar meiner Auflassung vom
cultuslosen Verhältnisse dieses Tempels durchaus bei, der Deutung jenes
Bildwerkes dagegen tritt er als einer völlig irrthümlichen sehr bestimmt ab-
weisend entgegen; indem er hierbei jedoch wesentlich auf den ersten Ent-
wurf vom Jahre 1852 zurükkgreift, welcher bloss den Grundgedanken des-
selben umschrieb, wird seine Beurtheilung auf Unbefangenheit kaum Anspruch
machen dürfen, weil sie ganz ausser Betracht lässt wie weit die fortge-
setzten Untersuchungen im Göttinger Philologus, direct und indirect, jenen
Grundgedanken erweitert und beweislich verschärft, auch mit Ausscheidung
oder Berichtigung mancher Einzelnheiten so gestaltet haben als er zuletzt
auszüglich im Verzeichnisse der Abgüsse des Berliner Museums 1871 und 1872

*) Der Parthenon. Leipzig bei Breitkojif u. Hill toi. 1871.
 
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