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Bötticher, Carl
Der Zophorus am Parthenon: hinsichtlich der Streitfrage über seinen Inhalt und dessen Beziehung auf dieses Gebäude — Berlin, 1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.4096#0006
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Gegensätzliches Verhältniss der Auslegungen. 3

gegeben ist. Sehr wohl lässt sich aber die Möglichkeit denken es könne deren
Beurtheilung bei Michaelis dadurch beeinflusst sein, dass meine Bestim-
mungen nicht überall in der Klarheit formulirt gewesen sind um Jedem ver-
ständlich zu werden: ich halte es daher für Pflicht eine solche Verschuldung,
so weit es noch möglich ist, abzulösen und in den vorliegenden Blättern
meine Bestimmungen so präcis zu fassen dass Niemand über ihren Sinn im
Unklaren wird bleiben können.

Das in Rede stehende Bildwerk hat in den früheren Erklärungen, von
Stuart bis jetzt, ein Wechselspiel ohne Gleichen erlebt. Indem man sich
bemühte den heiligen Opferzug an den Panathenäen und die Peplosprocession
in Gegenwart der olympischen Gottheiten in demselben dargestellt zu er-
weisen, trug man alles was von diesem Vorgange wirklich überliefert, in
dem Bildwerke aber nicht zu entdekken ist, aus der Literatur in dasselbe
hinein: umgekehrt hat man das was in der Literatur sich nicht mehr vor-
fand, aus dem Bildwerke zu ergänzen gesucht. Nun liegt es wohl auf der
Hand dass meine Deutung, indem sie zu dieser älteren gangbaren in den
Gegensatz trat, auch der Deutung von Michaelis entgegenstehen musste
als dieser jene ältere zu der seinigen machte. Es mag zum Verständniss beider
Gegensätze, hier flüchtig an den Grundgedanken der meinigen erinnert sein.
Die Schilderung des panathenäischen Opferzuges der Hekatombe mit der
Peplosprocession im Bildwerke zu sehen, lehnte sie ab: statt dessen setzte
sie bloss mehrere auserlesene Episoden der Paraskeve zu Festlichkeiten, vor-
nehmlich zu jeder Panathenäen-Feier. Diese Annahme gründete sich auf
Zweierlei: einerseits auf den ganz augenfälligen Mangel eines jeden der
Merkmale welche als kennzeichnend für jenen Festzug überliefert sind; an-
dererseits auf die Thatsache dass das ganze Bildwerk keinen einheitlichen
und geschlossenen Zug bildet, sondern aus lauter einzelnen Abtheilungen
besteht welche in der Wirklichkeit des Vorganges im Leben, der Stätte wie
der Zeit nach, nur von einander gesondert möglich, auch ganz für sich ope-
rirend im Bildwerke gedacht und dargestellt sind. In der für das ganze
Relief tektonisch einmal iregebenen Raumform erscheinen die verschiedenen
Momente des Vorganges episch wohl in einer gewissen Folge aneinander
gereiht, als Einheitliches künstlerisch verbunden sind sie aber deshalb nicht,
weil sie örtlich eben keinen Zusammenhang haben konnten: daher würde
ebenso wenig die Auslassung als der Zusatz einer Anzahl von Gestalten in
manchen Episoden — beispielsweise in der langgedehuten Reitermasse —
den Gedanken wie die Composition des Ganzen irgend wie geändert haben.
Die örtliche Scheidung der Vorgänge auf der Burg an der Ostfronte von
den Vorgängen an beiden Langseiten, besteht unläugbar: denn weder Reiter
noch Viergespann noch die Theoren mit Kühen und Schafen, kamen jemals
auf die Burg. Gleicherweise augenfällig sind an den Langseiten die Oert-
lichkeiten verschieden auf welchen sich Reiterei, Gespanne und Theorenzug
befinden. In den sitzenden Gestalten über dem Pronei'on wurden von mir

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