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Bötticher, Carl
Der Zophorus am Parthenon: hinsichtlich der Streitfrage über seinen Inhalt und dessen Beziehung auf dieses Gebäude — Berlin, 1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.4096#0077
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74 XIV. Die Paraskeve. Roiter. Viergespanne.

In jener scharfen Trennung aller Vorgänge unter einander, welche bei
der Composition und Anordnung des Bildwerkes so bestimmt innegehalten
ist, erscheint die Absicht des Künstlers klar und deutlich ausgesprochen.
Zur Charakterisirung der Räume des Thesaurentempels der Staatsverwaltung
welche den Schatz an Kleinodien und baarem Vermögen des Landes ein-
schliessen sollten — denn mit dem Entwürfe des von Perikles erst zu srün-
denden Baues sind auch sie schon entworfen — hat Phidias die wesentlichen
Momente aus den Rüsttagen zu dem höchsten Landesfeste gewählt und diese
episodisch im Zophorus aneinander gereiht.

Irgend eine Cultushandlung findet sich in keiner Episode dieses Bild-
werkes: die Annahme einer solchen ist bis jetzt Hypothese geblieben, noch
hat Niemand vermögt die zweifellosen Kennzeichen derselben in ihm nachzu-
weisen; auch beantwortet der Inhalt und die Zweckbestimmung des Par-
thenon von selbst die Frage warum zur Bezeichnung dieser engeren und
speeifischen Eigenschaft des Gebäudes, in seinem Zophorus eine Darstellung
gottesdienstlicher Handlungen vermieden und statt dieser bloss Vorgänge der
festlichen Zurüstung gesetzt worden sind [Vgl. Verz. d. Berl. Abgüsse 1872.
S. 238].

Zu diesem treten noch andere bemerkenswerthe Verhältnisse, die aus
dem eigenartigen Wesen der Athener entspringen. Geschichtliche Thatsache
ist die maasslose Begierde des attischen Demos nach Festen Festzügen und
Fcstmahlzeiten, welche zuletzt auch den sittlichen und materiellen Ruin des
Volkes und Landes herbeigeführt hat: aber nicht minder ist gewiss dass
kein anderer Hellene die Eigenschaft seine Feste kunstvoll zu gestalten, in
dem Grade besass als der Athener. Gleich feinsinnig wie seine Schöpfungen
in bildlicher Kunst Poesie und Literatur, waren die Anordnungen seiner
Feste, sie hatten einen Weltruf gewonnen. Dass sie in der grossartigen
Harmonie ihrer Ausführung gleichsam wie auf attischem Boden gewachsen
erschienen, hatte seine Ursache in der unermüdlichen Theilnahme des Volkes
an ihrer Vorbereitung und Besorgung: diese machte das eigentliche Lebcns-
element des Demos im Frieden aus. Am kenntlichsten tritt das bei der
Vorbereitung zu den Panathenäen hervor, bei welcher Alt und Jung mit Hinten-
ansetzung aller anderen Interessen thätig wirkte: es überstrahlte auch die
Ausführung derselben die Feste aller anderen hellenischen Staaten bei weitem,
der Glanz ihres berühmten Agones wetteiferte selbst mit den Olympien.
Welcher hellenische Staat hätte auch wohl zur Zeit des Perikles schon ein
so grossartiges Werk des agonalen Festapparates aufzuweisen gehabt, wie
Athen im Kunstwunder seines Parthenosbildes, welchem bekanntlich das
Zeusbild in Olympia erst nachfolgte. So lag für die Bezeichnung des Par-
thenon, welcher dieses Bild und die goldenen Niken zu den Agonen sammt
der Skeve zu den Pompen einzuschliessen bestimmt war, in der Wahl jener
Paraskeve gewiss die treffendste Hindeutung auf die Verwendung seines
 
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