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Bötticher, Carl
Der Zophorus am Parthenon: hinsichtlich der Streitfrage über seinen Inhalt und dessen Beziehung auf dieses Gebäude — Berlin, 1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.4096#0086
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XV. Eupatriden Familien. — Bedeutung des Opfers. 83

ten dagegen erscheint kein einziger schon mit beiden Füssen und aufgerichtet
auf dem Wagen stehend, vielmehr berühren sie stets mit einem Fusse noch
die Erde: ihre Stellung ist gekrümmt, sie erreichen aber mit dem Helm-
kamme die Kopfhöhe des Heniochen. Der Bemerkung bedarf es wohl kaum
dass die Sitzenden nicht hinter einander, und zwar die eine Hälfte nach
rechts, die andere nach links hin sitzend, wie scheinbar im Relief, vielmehr
parallel neben einander und nach vorn gerichtet gedacht sind.

Die Fiction der Götter welche thronend zuschauen, beruhte auf der Vor-
aussetzung es sei der j)anathenäische Opferzug vereinigt mit der Peplos-
procession hier vorgestellt: hat aber die vorliegende Untersuchung dargethan
wie dies nicht der Fall, auch nicht ein einziges der Merkmale im ganzen
Bildwerke vorhanden ist welche diesen Zug kennzeichneten, so wären schon
mit jener irrigen Voraussetzung dieses Zuges auch zugleich die Götter be-
seitigt. Doch lassen sich noch anderweitige Thatsachen anziehen, theils theo-
logischer, theils künstlerischer Natur, welche diese Beseitigung erfordern.
Die theologischen, aus dem religiösen Dogma fliessenden Observanzen und
Riten des Cultus zur Prüfung angelegt, weisen überhaupt die Möglichkeit
der Gegenwart des olympischen Götterreigens bei diesem Feste der Athena
bestimmt zurükk, auch selbst in dem Falle wenn wirklich jener Opfer-
zug im Bildwerke dargestellt wäre; die künstlerische Analyse des Sig-
nalements jeder einzelnen Gestalt, lässt dann erkennen dass keine der Gott-
heiten in ihr vorhanden ist welche man darin finden will. Hinsichtlich der
Cultusobservanzen verweise ich auf meine ganz bekannten Publicationen über
diese Materie, es kann hier bloss einiges Wesentliche daraus hervorgehoben
werden was Ms entgangen ist: die künstlerische Analyse der Gestalten mag
sich dem anschliessen.

Nach dem Dogma der Hellenen bildet die Darbringung des Speiseopfers
das heiligste Sacrament im Cultus, es hat die Bedeutung eines Liebesmahles
zur Bmidesgemeinschaft aller Opfernden mit der Gottheit welcher es geweiht
wird. Das Verhältniss hierbei ist sehr einfach. Jedes Opferthier wird mit
dem Augenblikke in welchem dasselbe vor dem brennenden Altare die Con-
secration rite empfangen hat, zum Eigenthum der Gottheit: was der Opfernde
hiervon zum Mahle erhält ist dann ihre Gabe, sie selbst nimmt als eignen
Speiseantheil bloss die Primitiae des nun ihr Gehörenden, das Uebrige spendet
sie als Wirthin dem Opfernden. Die Menschen sind also hierbei mit Recht
ihre Gäste und Tischgenossen Esvoi und 6|xo-pcksCoi (Paus. 8, 2, 2). Mit
jeder Wiederholung dieser Opferweihe, geschehe sie von der ganzen Tempel-
gemeinde oder bloss von einzelnen Mitgliedern derselben, erneuert man diese
Bundesgemeinschaft: auch bleibt es für deren Bedeutung ganz gleich ob die
Darbringung zu bestimmten im Dogma feststehenden Zeitpunkten, ob sie
ausser diesen und selbst bei ungewöhnlichen Ereignissen geschehe. Auf die
stetige Erneuerung dieser Bundesgemeinschaft lässt schon Homer den Zeus

da anspielen, wo der Gott (A, 47 flg.) von Priamos und seinem Volke

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