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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0426
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licn bei, die ich von einem sehr glaubwürdigen Zeugen "olioit
habe, ilafs mit «lern Einkauf dieser Jungfornkränzel am Nicolai-
tage unter den wendischen Mädchen mancherlei Aberglaube ver-
bunden sei. Vielleicht ist selbst der in Böhmen und auch hei un-
seren Wenden sehr gewöhnliche Ausdruck Kolacz, womit man ge-
rade ein solches rundes Gehücke zu bezeichnen pHegf, vom heili-
gen Nicolaus ahgeleiief.

Auch hl Banzen wird , wie an so vielen anderen Orion , das
Andenken des Bischofs Martinas durch ein besonderes Backwerk,
in Form eines Kufeisens oder zweier Hörncr gefeiert, welches da-
her den Namen Martinshörner oder schlechtweg Hürnel erhallen
bat. Die gewöhnlichste Erklärung ist diejenige, die auch Treuer
in seiner gelehrten Abhandlung de Martismaano (oder Untersuch-
ung des Ursprungs und der Bedeutung des Marlinsmanns) §. 33.
S. 81. gegeben hat, dal's diese Ilörner eigentlich den heiligen
Nimbus oder die Strahlen um das Haupt des heiligen Bischofs
Martiniis andeuten sollen, die aber nach der ungeschickten und
groben Manier der damaligen Maler gerade wie zwei sehr slarke
aus dem Kopie des Heiligen hervorgehende Ilörner aussehen und daher
leicht mit diesen verwechselt werden konnten. Blau darf sich nur
an die rcspeelablen Höruer erinnern, mit weichen in alten Gemäl-
den und Bildeibihcln Moses, der Knecht Gottes, ansslafh'rl ist,
um diese Erkiärmigsnrt sehr natürlich und ungezwungen zu linden.
Indessen würden sieh auch aus den Thaleu und dem wnnuervol-
len Leben des heiligen Martinas, wie wir es in den Actis Sau-
ctorum und bei seinem Biographen, dem Snlpinus Severus, finden,
verschiedene Umstände auffinden lassen, aus weichen sich diese
sonderbare Gestalt der Martinshörner cntrnihseln Heise. Martinas
that in seiner Jugend Militärdienste und bedeckte einst die Blöse
eines Armen mit der Hälfte seines Kriegsmanlels (chlamys), worauf
er im Traume ein merkwürdiges Gesiebt halte. Da man nun von
Alters her der Meinung gewesen zu sein scheint, dafs Mar-
tintis als Cavatcrist diese That der Menschenliebe ausgeübt habe,
weswegen er auch jederzeit reitend gemalt wird, so heftete man
vielleicht an das sinnliche Zeichen eines gebackenen Hufeisens das
Andenken an die Mildthätigkeit des frommen Piittennaiins. Aber
der gute Martiniis hatte auch gewaltige und unaufhörliche An-
fechtungen vom Satanas und der ganzen höllischen Rotte auszu-
stehen , wovon sein Lebensiteschreiber Sulpicins Severus manches
wunderliche Geschichfrhen zu erzählen weifs (de vita b. Martini
c. 6. 17. 18. seq.). Nun ist es bekannt, wie freigebig die Mön-
che und Exorcisten im Papstthume den Teufel mit Hörnern aus-
gestaltet haben. Wie konnte man also das Andenken an die Gas-
neriuden und Teufeleien des guten Bischofs Martinus hesser fort-
pflanzen als durch diese gebackenen Höruer*)'? Wie aber, wenn

*) Ich finde bei'm Severus (de vita b. Martini §. 21, p. 336. Vorst)
 
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