Anhang. Thiele's rnodificirte Iuoculation.
93
dass österreicliiscbe Aerzte an der türkischen Grenze im Jahre 1858,
wegen Mangel an Kuhpockenlymphe, mit Variolastoff impften.
ANHANG.
Es ist noch das Verfahren zu erwähnen, durch welches im
Jahre 1839 Dr. Thiele in Kasan eine durchaus gefahrlose Inocu-
lation erzielt haben wollte'). Seine später zu besprechenden Vario-
lationen der Kühe hatten ihm die Ueberzeugung gegeben, dass die
Menschenpocken, bei ihrem Durchgange durch die Kuh, zu wirk-
lichen Kuhpocken depotenzirt werden. Auch ohne Dazwischenkunft
des Thierkörpers, nur durch methodisches Modificiren des mensch-
lichen Pockeneiters, glaubte er das Virus variolosum in das vaccinale
auf folgende Weise verwandeln zu können.
Die Lymphe aus Menschenpocken wird 10 Tage zwischen ver-
klebten Glasplatten aufbewahrt, und dann, mit warmer Kuhmilch
verdünnt, eingeimpft. Es entstehen grosse Pocken mit starker lokaler
Entzündung, von einem heftigen Infectionsfieber gefolgt, aber ohne
allgemeine Pockeneruption, höchstens schiessen um die Impfstelle
kleine Blattern auf2). Mit dem Inhalte der Impfpocken wird nun
auf die eben beschriebene Weise verfahren, und so geht es durch
zehn Generationen; die Lokalsymptome sind stetig geringer, und
die Impf blättern zuletzt den Vaccinen ganz gleich geworden, so.'dass
von da ab von Arm zu Arm weiter geimpft werden kann.
'Thiele beruft sich auf mehrere hundert Fälle, und wir werden
ihn später als einen guten Experimentator kennen lernen. In der
Literatur herrscht über diese Methode vollkommenes Schweigen, was
nicht befremden kann, weil die Inoculation der echten Menschen-
blattern fast Uberall seit langer Zeit gesetzlich untersagt ist.
1) Henke's Zeitschrift für die Staatsarzneikunde, 1839. Nr. 37.
2) Schon Robert in Marseille hatte behauptet, dass der menschliche Pocken-
eiter, mit Milch geimpft, nur Lokalpusteln hervorbringe.
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dass österreicliiscbe Aerzte an der türkischen Grenze im Jahre 1858,
wegen Mangel an Kuhpockenlymphe, mit Variolastoff impften.
ANHANG.
Es ist noch das Verfahren zu erwähnen, durch welches im
Jahre 1839 Dr. Thiele in Kasan eine durchaus gefahrlose Inocu-
lation erzielt haben wollte'). Seine später zu besprechenden Vario-
lationen der Kühe hatten ihm die Ueberzeugung gegeben, dass die
Menschenpocken, bei ihrem Durchgange durch die Kuh, zu wirk-
lichen Kuhpocken depotenzirt werden. Auch ohne Dazwischenkunft
des Thierkörpers, nur durch methodisches Modificiren des mensch-
lichen Pockeneiters, glaubte er das Virus variolosum in das vaccinale
auf folgende Weise verwandeln zu können.
Die Lymphe aus Menschenpocken wird 10 Tage zwischen ver-
klebten Glasplatten aufbewahrt, und dann, mit warmer Kuhmilch
verdünnt, eingeimpft. Es entstehen grosse Pocken mit starker lokaler
Entzündung, von einem heftigen Infectionsfieber gefolgt, aber ohne
allgemeine Pockeneruption, höchstens schiessen um die Impfstelle
kleine Blattern auf2). Mit dem Inhalte der Impfpocken wird nun
auf die eben beschriebene Weise verfahren, und so geht es durch
zehn Generationen; die Lokalsymptome sind stetig geringer, und
die Impf blättern zuletzt den Vaccinen ganz gleich geworden, so.'dass
von da ab von Arm zu Arm weiter geimpft werden kann.
'Thiele beruft sich auf mehrere hundert Fälle, und wir werden
ihn später als einen guten Experimentator kennen lernen. In der
Literatur herrscht über diese Methode vollkommenes Schweigen, was
nicht befremden kann, weil die Inoculation der echten Menschen-
blattern fast Uberall seit langer Zeit gesetzlich untersagt ist.
1) Henke's Zeitschrift für die Staatsarzneikunde, 1839. Nr. 37.
2) Schon Robert in Marseille hatte behauptet, dass der menschliche Pocken-
eiter, mit Milch geimpft, nur Lokalpusteln hervorbringe.