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Boisserée, Sulpiz
Denkmale der Baukunst vom 7. bis zum 13. Jahrhundert am Nieder-Rhein — München, 1833

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https://doi.org/10.11588/diglit.1178#0011
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®nf. II. jfaxrtt H«»id»t; III. ttruiftviM; IV. Jlufri«; V. Pu«f)sd)mti; VI. ©ruft;
VII. $myp»fl; VTJJ. ©ruhmt' Irct Sftiftcrhii!; IX. fcjjfiw.

Diese grosse Kirche lieg! auf einem Hügel, auf welchem von den Zeiten der RÖiner bis ku dem
Ende des 7"=» Jahrhunderts das Kapitol der Stadt gestanden hat.. In der Nahe desselben besassen die
fränkischen Könige einen Pallast;" dorthin zog sich G9G die Fürstinn Plcctrudis, Gcmaldinn des Pipin
von Heristall, zurück, als sie sich mit ihm wegen der Beischläferinn Alpais j Mutter Karl Martells,
entzn'eite.SJ Und da sie ihre Trübsal durch eine fromme Unternehmung mildern wollte, so liess sie das
ohne Zweifel baufällige Kapitol niederreisseu, und errichtete im Jahre 700 an dessen Stelle jene Kirche
mit einem Damenstift. Daher der Name: St. Maria auf dem Kapitol. Aber nicht nur in dem Namen hat
sich das Andenken an die ursprüngliche Bestimmung des Orts erhalten, sondern bis zur französischen
Eroberung, im Jahre 1794, wurde dasselbe nach allem Herkommen noch alle Jahre bei dem Bürgermeister-
Wechsel auf die lebendigste Weise erneuert. Im Mittsommer, am St. Johannistage begab sich nämlich der
Senat mit den Konsilien von dem Raihdaus in feierlichem Zug nach der Marienkirche, um dem Gottesdienst
beizuwohnen, nach dessen Beendigung dann der förmliche Regierungswechsel statt fand, indem vor dem
Heimgang nach dem Rathluuis die beiden alteren Konsilien den neuen den Vortritt einräumten, und die
Abiissimi des Stifts, mit: ihrer Krone und fürstlichem Mantel geschmückt, den zwei letzteren jedem einen
Blumenstrauss überreichte. Ein anderer alter Gebrauch, der jedoch schon seit viel längerer Zeit abge:
kommen ist, verdient hier auch erwähnt zu werden, da er beweist, wie hoch die von der Plectrudis
gestiftete Kirche geehrt wurde. Diesem Gebrauche nach feierte dort der Erzbischof jedesmal in der Christ-
nacht die erste Messe; es geschah das wohl hauptsächlich desshaib, weil die Kirche der Maria gcwcilil war;
jedoch mag auch noch die Rücksicht obgewaltet haben, dass der zur Zeit des Heidcnihums so ausgezeichnete
Ort sich vorzüglich eignete, um au demselben alljährlich der Gehurt des Erlösers zuerst zu gedenken.
Die zweite Messe feierte der Erzbischof bei Tagesanbruch in der St. Cecilicnkirche, wo die älteste Domkirehc
gewesen war, und die. dritte später am Morgen in der neuer» Domkirdie. Zu Rom bestand sonst ein
ähnliches Herkommen, dem zu Folge der Pabst die erste "Weihnachtsmessc in Sia. Maria maggiore, die
zweite in St. Anastasia und die dritte in St. Peter saug."

Das Gebäude der Marienkirche ist, so viel ich weiss, das einzige von dieser Bedeutung und
Vollständigkeit, welches irgend aus dem 71c" oder 8,on Jahrhundert noch besieht. Die Hauptanhige desselben
ist noch ganz in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten. Im Innern ist blos der obere Tlieil des Schilfs mit
dem Gewölbe iu der Spitzbogen-Art, und wahrscheinlich gegen Ende des I4Wn Jahrhunderts, erneuert worden.
Ob früher auch eine Veränderung mit der obern Rundung des Chors vorgegangen, wage ich nicht zu
ciMsdieiden. Indessen erregen die gekuppelten Säulen mit ihren reich verzierten arabeskenarligen Kapitalen*,
welche man auf der Slc" Tafel abgebildet sieht, einigen Zweifel; diese Säulen und Kapitale scheinen dem
lX"on oder 12"« Jahrhundert anzugehören, und können bei Gelegenheit einer Ausbesserung an die Stelle

Pnlmiiim Ducht» Auüirasiae: Gtfcuiut, V)o sncr. c! civil, magnii. Culo». p. 323 ; mich pal
idem, Pol Snnctotum, Suilietius er. I'lccfrudis p, 12.

Gcknius, De s;icr. et civil, uingnit. Colon, p. 323.

Martern, De nnti* occlcs. ritib. III. p. 32.
 
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