„erhöht“, um den zeitgenössischen Ausdruck bei Rivius zu gebrauchen. Roritzer spricht
in gleichem Sinne von „noher tun“, worunter man entweder „näher tun“ (= herausheben)
oder „nach tun“ (= nachziehen) verstehen mag.251 Wie die gotischen Baurisse zeigen, hat
man hierfür in der Regel eine schwarze oder bräunliche Tusche benutzt, wobei die Geraden
mit der Ziehfeder, die unregelmäßigen Kurven und figürlichen Darstellungen gewöhnlich
mit der einfachen Feder, also mit dem Gänsekiel ausgezogen wurden. Bei Kreisen und
Kreisausschnitten bediente man sich des Zirkels. - Die Strichstärke der Risse ist meist sehr
fein und gleichmäßig. Sie steht in einem gewissen Gegensatz zur heutigen Technik, welche
durch bewußte Variation der Strichstärke das Vor- oder Zurückliegen eines Bauteiles auch
bei der einfachen Projektion bildlich auszudrücken versucht. Damit befinden wir uns be-
reits auf einem andern Gebiet der Zeichentechnik, welches man unter dem heutigen Begriff
der „Aufmachung“ zusammenfassen kann. Der moderne Architekt achtet bekanntlich dar-
auf, seine Pläne in einer auch für das Auge eines oberflächlichen Betrachters gefälligen Art
auszuarbeiten, angefangen von der Wahl der Blattgröße bis zur Beschriftung, Schatten-
gebung, Schraffur usw.
Der gotische Baumeister legt keinen Wert darauf, seine Risse in ähnlicher Weise aufzu-
machen. Die Folie wird nicht in ein bestimmtes, abgewogenes Verhältnis von freien und
überzeichneten Flächen eingeteilt. Man denke nur an die vielen Turmrisse, deren Rand
einfach der eigentlichen Zeichnung folgt und sich dementsprechend in ihrem oberen Teil
in gleichem Maße verjüngt wie der Turmhelm, oft krumm und mehr oder weniger will-
kürlich.
Ebensowenig zeigen mittelalterliche Pläne eine dekorative Beschriftung. Es gehört schon
zu den Seltenheiten, wenn ein solches Exemplar überhaupt irgendwelche Schriftzeichen
trägt, und selbst dann handelt es sich durchweg nur um handschriftliche Erläuterungen
und Notizen.
Schraffuren, Punktierung, Lavierung zum Zwecke der Verdeutlichung oder Schatten-
gebung werden ebenfalls nur in geringem Umfang verwendet. Zeichnungen, die derartige
Merkmale aufweisen, stammen in der Regel erst aus dem 15. oder 16.Jahrhundert. Noch
seltener findet man farbig angelegte Risse, wenn man von der hin und wieder zu finden-
den leicht gelblichen Lavierung absieht. Als einzige Exemplare solcher kolorierten Bau-
pläne wären verschiedene Straßburger Risse zu nennen, welche in die zweite Hälfte des
14.Jahrhunderts zu datieren sind.252
Alles in allem zeigen die vielen noch erhaltenen mittelalterlichen Risse, daß die Meister
keinen Wert auf eine Aufmachung im modernen Sinne legten, obwohl ihnen die dafür not-
wendigen Fähigkeiten und Kenntnisse gewiß nicht fehlten. Die vielen, oft mit bewun-
dernswerter Leichtigkeit und Präzision ausgearbeiteten Risse beweisen dies.
Nach der Betrachtung des äußeren Bildes gotischer Bauzeichnungen wäre einiges über
die Art der gewählten Projektion zu sagen. Fast in allen Fällen handelt es sich um die
auch heute noch am meisten gebräuchliche orthogonale Parallelprojektion. Zuweilen findet
man auch eine Art von Perspektive, welche jedoch nicht der in der Renaissance aufkom-
menden Zentralperspektive, sondern eher einer Isometrie entspricht. Allerdings muß
gleich hinzugefügt werden, daß sie sich in fast allen Fällen auf Details wie Sockelgliede-
rungen und ähnliche dekorative Teile beschränkt. Als seltenes Beispiel einer Bauzeichnung
perspektivischer Art, welche einen geschlossenen Bauteil zum Vorbild hat, sei die Dar-
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in gleichem Sinne von „noher tun“, worunter man entweder „näher tun“ (= herausheben)
oder „nach tun“ (= nachziehen) verstehen mag.251 Wie die gotischen Baurisse zeigen, hat
man hierfür in der Regel eine schwarze oder bräunliche Tusche benutzt, wobei die Geraden
mit der Ziehfeder, die unregelmäßigen Kurven und figürlichen Darstellungen gewöhnlich
mit der einfachen Feder, also mit dem Gänsekiel ausgezogen wurden. Bei Kreisen und
Kreisausschnitten bediente man sich des Zirkels. - Die Strichstärke der Risse ist meist sehr
fein und gleichmäßig. Sie steht in einem gewissen Gegensatz zur heutigen Technik, welche
durch bewußte Variation der Strichstärke das Vor- oder Zurückliegen eines Bauteiles auch
bei der einfachen Projektion bildlich auszudrücken versucht. Damit befinden wir uns be-
reits auf einem andern Gebiet der Zeichentechnik, welches man unter dem heutigen Begriff
der „Aufmachung“ zusammenfassen kann. Der moderne Architekt achtet bekanntlich dar-
auf, seine Pläne in einer auch für das Auge eines oberflächlichen Betrachters gefälligen Art
auszuarbeiten, angefangen von der Wahl der Blattgröße bis zur Beschriftung, Schatten-
gebung, Schraffur usw.
Der gotische Baumeister legt keinen Wert darauf, seine Risse in ähnlicher Weise aufzu-
machen. Die Folie wird nicht in ein bestimmtes, abgewogenes Verhältnis von freien und
überzeichneten Flächen eingeteilt. Man denke nur an die vielen Turmrisse, deren Rand
einfach der eigentlichen Zeichnung folgt und sich dementsprechend in ihrem oberen Teil
in gleichem Maße verjüngt wie der Turmhelm, oft krumm und mehr oder weniger will-
kürlich.
Ebensowenig zeigen mittelalterliche Pläne eine dekorative Beschriftung. Es gehört schon
zu den Seltenheiten, wenn ein solches Exemplar überhaupt irgendwelche Schriftzeichen
trägt, und selbst dann handelt es sich durchweg nur um handschriftliche Erläuterungen
und Notizen.
Schraffuren, Punktierung, Lavierung zum Zwecke der Verdeutlichung oder Schatten-
gebung werden ebenfalls nur in geringem Umfang verwendet. Zeichnungen, die derartige
Merkmale aufweisen, stammen in der Regel erst aus dem 15. oder 16.Jahrhundert. Noch
seltener findet man farbig angelegte Risse, wenn man von der hin und wieder zu finden-
den leicht gelblichen Lavierung absieht. Als einzige Exemplare solcher kolorierten Bau-
pläne wären verschiedene Straßburger Risse zu nennen, welche in die zweite Hälfte des
14.Jahrhunderts zu datieren sind.252
Alles in allem zeigen die vielen noch erhaltenen mittelalterlichen Risse, daß die Meister
keinen Wert auf eine Aufmachung im modernen Sinne legten, obwohl ihnen die dafür not-
wendigen Fähigkeiten und Kenntnisse gewiß nicht fehlten. Die vielen, oft mit bewun-
dernswerter Leichtigkeit und Präzision ausgearbeiteten Risse beweisen dies.
Nach der Betrachtung des äußeren Bildes gotischer Bauzeichnungen wäre einiges über
die Art der gewählten Projektion zu sagen. Fast in allen Fällen handelt es sich um die
auch heute noch am meisten gebräuchliche orthogonale Parallelprojektion. Zuweilen findet
man auch eine Art von Perspektive, welche jedoch nicht der in der Renaissance aufkom-
menden Zentralperspektive, sondern eher einer Isometrie entspricht. Allerdings muß
gleich hinzugefügt werden, daß sie sich in fast allen Fällen auf Details wie Sockelgliede-
rungen und ähnliche dekorative Teile beschränkt. Als seltenes Beispiel einer Bauzeichnung
perspektivischer Art, welche einen geschlossenen Bauteil zum Vorbild hat, sei die Dar-
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