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Braun, Joseph
Das christliche Altargerät in seinem Sein und in seiner Entwicklung — München, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.2142#0032

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14 EINLEITUNG

Die altchristliche Zeit und das Mittelalter haben im Westen wie im Osten
eine schier endlose Reihe materiell und künstlerisch oft höchst kostbarer Altar-
geräte geschaffen. Die literarischen Quellen, vor allem die Inventare mit ihren
oft langen Reihen der verschiedensten liturgischen Geräte legen dafür reich-
liehst Zeugnis ab. Leider ist von aller dieser Herrlichkeit nur ein winziger Teil
auf uns gekommen. Alles andere ist zugrunde gegangen, manches schon bald
nach seiner Herstellung, anderes erst im Verlauf der Zeit, sehr vieles, darunter
die wertvollsten und für die Geschichte des Altargeräts bedeutsamsten Stücke
im 16. Jahrhundert bei und infolge der damaligen kirchlichen Umwälzungen,
sehr vieles auch bei und infolge der Revolution zu Anfang des 19. Jahrhun-
derts und der mit ihr zusammenhängenden und auf sie folgenden Ereignisse,
zumal der Klosteraufhebungen und Säkularisationen. Hier fiel das Gerät dem
Feuer oder sonstigen Naturgewalten zum Opfer, dort den plündernden Hor-
den einer zügellosen Soldateska, anderswo der Habgier weltlicher Machthaber.
Manches ist eingeschmolzen worden zum Zweck, mit dem aus ihm erzielten Er-
lös drückende Schulden abzutragen oder sonstigen Noten abzuhelfen, Mittel
zu nötigen Neu- oder Wiederherstellungsbauten zu gewinnen oder Kriegs-
kontributionen zahlen zu können. Aber auch Sorglosigkeit, ja Nachlässigkeit
in Aufbewahrung, Behandlung und Gebrauch der Geräte sowie namentlich der
Wechsel im Geschmack hat endlich dazu beigetragen, daß zahllose der Altar-
geräte der früheren Zeit verloren gegangen sind, haben zahllosen derselben
Untergang und Verderben bereitet.

Von den Altargeräten, die in altchristlicher Zeit und in der ersten Hälft« des Mittelalters
entstanden, haben sich nur ganz vereinzelte Beispiele erhalten und zwar selbst im Westen,
Für den Osten kommt dazu, daß nicht alles, was aus ihm an Altargeräten aus jener Zeit
vorliegt, über jeden Zweifel sei es an seiner Echtheit oder doch an seinem Charakter als
Altargerät erhaben ist. (9) Für die zweite Hälft edes Mittelalters steht es im Bereich der
Riten des Ostens um etwaiges aus ihr noch vorhandenes Altargerät nur wenig besser als für
seine erste Hälfte und die altchristliche Zeit, und zwar selbst in Rußland, wo man aus ihr
noch am ehesten Altargeräte zu finden erwarten dürfte. Im Westen hat sich dagegen trotz
aller Verluste glücklicherweise so viel an Altargeräten aller Art aus dem späteren Mittel-
alter gerettet, daß wir wenigstens für dieses schon aus dem auf uns gekommenen Bestand
an solchen ein recht befriedigendes, für die Spätzeit sogar ein überraschend einlässiges Bild
der Entwicklung des Altargeräts gewinnen. Weitaus das meiste hat sich auf deutschem Bo-
den erhalten, zumal im nördlichen und westlichen Deutschland, von woher auch zahlreiche
Geräte stammen, die sich heute in außerdeutschen Museen und Sammlungen finden, doch
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bedeutsam. Was in Italien sich an Altargerät aus dem späten Mittelalter bis in die Gegenwart
gerettet hatte, ist zu einem sehr erheblichen Teil in ausländische Sammlungen gewandert,
so daß man die Geschichte des spätmittelalterlichen Altargeräts in Italien fast besser im
Ausland als im Lande selbst zu verfolgen vermag. Aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert ist
im Westen allenthalben noch eine Fülle von Altargerät vorhanden.

Altargeräte aller Art, die sich aus der Vergangenheit erhalten haben, sind in
großer Zahl in kunsthistorischen und archäologischen Zeitschriften und Jahr-

(9) Gemeint sind die in jüngerer Zeit angeblich auf Zypern und in Syrien gemachten
mysteriösen Funde, zumal ein bei Antiochien gefundener Kelch, den Reklamesucht und Spe-
kulation als Schöpfung des ersten christlichen Jahrhunderts ausgegeben, ja sogar als den
beim Letzten Abendmahl gebrauchten Kelch gedeutet haben.
 
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