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Braun, Joseph
Das christliche Altargerät in seinem Sein und in seiner Entwicklung — München, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.2142#0216

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194 VASA SACRA. ERSTER ABSCHMTT. DER KELCH

armenischen, koptischen und nestorianischen Kelche, oder doch dafür nur
ganz unzulängliches Material vorliegt, wie für die der Kelche des griechischen
Ritus. Denn selbst das, was wir den mit Bildwerk geschmückten griechischen
Kelchen, die sich aus dem Mittelalter erhalten haben, bezüglich ihrer Ikono-
graphie entnehmen, geht nicht über einige wenige Wahrnehmungen und Fest-
stellungen hinaus. So beschränken sich die Darstellungen Christi an ihnen auf
ein von den Buchstaben A und ü begleitetes Brustbild desselben. Begeben-
heiten aus dem Leben des Herrn weist keiner der Kelche auf, ja nicht einmal ein
Bild des Gekreuzigten. Ebenso fehlen auf ihnen vollständig Darstellungen alt-
testamentlicher Typen des Kreuz- sowie des Meßopfers. Maria ist wie Christus
nur in Form eines Brustbildes dargestellt. Unter den auf ihnen angebrachten
Engelbildern finden sich nicht nur die Erzengel Michael, Gabriel und Raphael,
von denen der erste uns auf den mittelalterlichen Kelchen des Westens nicht
gerade oft begegnet, Gabriel nur in der Szene der Verkündigung, Raphael über-
haupt nicht, sondern auch der apokryphe Erzengel Uriel, wie auf einem der bei-
den von Romanos gestifteten Kelche im Schatz von S. Marco zu Venedig und
einem aus grünem Serpentin bestehenden Henkelkelch (Tafel 5) daselbst. Über-
aus ausgiebig sind, wie schon früher bemerkt wurde, Jieiligendarstellungen auf
ihnen angebracht. Sie finden sich schon auf Kelchen aus dem 10. und 11. Jahr-
hundert in einem Ausmaß, das dieselben auf den abendländischen Kelchen
allenfalls erst im i5. Jahrhundert erreichten. Auch sie erscheinen fast nur in
Gestalt eines Brustbildes.

V. DAS BILDWERK DES KELCHES IN NACHMITTELALTERLICHER ZEIT

Über die Ikonographie des Kelches in nachmittelalterlicher Zeit bleibt wenig
anzufügen. An figürlichem Schmuck fehlt es auch auf den nachmittelalter-
lichen Kelchen nicht; er tritt uns sogar nicht selten in reichlichem Ausmaß auf
ihnen entgegen. Was aber auffällt, ist, daß mit dem Eindringen der Renais-
sance zwischen ihm und dem bloß ornamentalen Dekor, mit dem die Kelche
bedacht wurden, sich ein anderes Verhältnis auszubilden beginnt, als das, was
auf den mittelalterlichen Kelchen zwischen Figurenwerk und Ornament be-
stand. Es ist ein Wandel, wie wir ihn ähnlich beim nachmittelalterlichen Re-
tabel vor sich gehen sehen. Wie beim mittelalterlichen Retabel, so war auch
bei den Kelchen des Mittelalters das Bildwerk die Hauptsache, das Ornament
nur ergänzende Zutat, nur Füllwerk des Raumes zwischen, über und unter den
figürlichen Darstellungen. Wie aber dann beim nachmittelalterlichen Retabel
infolge Überwucherns der Architektur und des Ornamentes das Figurenwerk
aus seiner beherrschenden Stellung verdrängt und dienend wurde, so verlor
auch an den nachmittelalterlichen Kelchen der figurale Schmuck die über-
ragende Bedeutung, die er vordem an ihnen hatte. Nicht er mehr ist die Haupt-
sache, sondern das Ornament, mit dem Fuß, Nodus und Korb der Kuppa nun
wie übersponnen werden. Was an Figurenwerk auf und an denselben sich fin-
det, wird nicht sowohl um seiner selbst willen mehr an ihnen angebracht, es ist
vielmehr zumeist nur noch eine Zutat zu dem für sich allein trotz seiner Üppig-
 
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