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Braun, Joseph
Das christliche Altargerät in seinem Sein und in seiner Entwicklung — München, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.2142#0217

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SECHSTES KAPITEL. V, l\ NACHMITTELALTERLICHER ZEIT 195

leeit zu eintönig wirkenden Ornament, bestimmt, größeren Wechsel und größere
Mannigfaltigkeit in dasselbe zu bringen.

An den gotisierenden Kelchen bewahrt freilich der figürliche. Schmuck, wo
solcher an denselben angebracht wird, noch durchweg seinen bisherigen Cha-
rakter. Noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ja selbst, wenn auch
nur vereinzelt, noch in der ersten Hälfte des 17. entstanden gotisierende Kelche,
die wie bezüglich der Form so auch bezüglich der Art der Verwendung des Bild-
werkes die herkömmlichen Wege gehen. So, um das eine oder andere Beispiel
zu nennen, ein Kelch von i555 in der Stadtkirche zu Bützow in Mecklenburg
(Tafel 3a), der an der Kuppa mit sechs getriebenen unter rundbogigen Arkaden
angeordneten Passionsdarstellungen, auf dem Fuß mit den stehenden Relief-
figuren von sechs Aposteln geschmückt ist; ein Kelch von i5oi in der altstädti-
schen Kirche zu Königsberg (Tafel 33), der noch am Schaft Statuettchen der
zwölf Apostel und auf dem Fuß Reliefbilder der Taufe Jesu, des Abendmahles
und der Auferstehung samt deren alttestamentlichen Vorbildern aufweist; ein
Kelch von i636 in derselben Kirche, eine freie Kopie des Kelches von i5oi,
dessen Fuß in flachem Relief eine ölbergszene, die Geißelung, die Dornen-
krönung, die Kreuztragung und die Auferstehung zieren; ein Kelch in Sainte-
Waudru zu Herenthals in Belgien mit Darstellungen aus dem Leben und Leiden
des Herrn auf dem Fuß und der Kuppa; der Kelch des Meisters Eisenhoit zu
Herdringen von i588 mit sechs alttestamentlichen Typen auf dem Fuß (Abra-
hams Opfer, Osterlamm, Mannaregen, Moses schlägt Wasser aus dem Felsen,
Jonas vom Walfisch ausgeworfen, eherne Schlange) und Statuettchen in den
Nischen des architektonisch gestalteten Nodus, der von Eisenhoit begonnene,
von einem Schüler i6o4 vollendete Kelch zu Herdringen, der gleichfalls alt-
testamentliche Bilder auf dem Fuße zeigt u. a. Selbst unter den Kelchen, die
nicht bloß hinsichtlich ihres Ornaments, sondern auch schon hinsichtlich ihrer
Form der Renaissance angehören, findet sich der eine oder andere, auf dem das
Bildwerk noch nicht zu einer bloßen Ergänzung des ornamentalen Dekors ge-
worden ist. Beispiele bieten ein Kelch des 17. Jahrhunderts in der Kathedrale
zu Reims, ein Kelch französischen Ursprungs in der katholischen Pfarrkirche
zu Leipzig, ein Kelch zu Rahrbach (Kr. Olpe) in Westfalen sowie ein Kelch in
der Kathedrale zu Evora in Portugal und im Museo de arte religiosa zu Coimbra.
Durchgreifend aber offenbart sich dann der Wandel bei den Kelchen des Ba-
rocks. Zahlreiche Belege bieten namentlich die süddeutschen Barockkelche mit
ihrer Fülle ornamentalen Schmuckes, dem gegenüber die demselben eingefüg-
ten Emailplättchen mit aufgemalten farbigen Bildchen nur eine nebengeordnete
oder besser untergeordnete Rolle spielen. Es ist geradezu eine Ausnahme, wenn
noch auf einem Kelch von 1736 im Dom zu Köln, der wohl französischen Ur-
sprungs ist, das Bildwerk vor dem Ornament den Vorrang hat.

Was den Gegenstand der Darstellungen anlangt, so fällt auf, daß die nachmittelalterliche
Zeit, wenn sie den Kelch mit Bildwerk schmückt, anders wie das späte Mittelalter wieder
Szenen aus dem Leben des Herrn Bildern von Heiligen vorzieht. Nicht als ob diese nun ganz
von den Kelchen verschwänden, sie treten aber merklich gegenüber jenen zurück. Von Er-
eignissen aus des Herrn Leben aber kommen fast nur mehr solche zur Darstellung, die auf
 
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