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Braun, Joseph
Das christliche Altargerät in seinem Sein und in seiner Entwicklung — München, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.2142#0431

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FÜNFTES KAPITEL. AUSSTATTUNG. IV. BILDWERK 409

Abteilungen, seltener an dem Strebewerk des über dem Behälter sich aufbauen-
den Aufsatzes. In der Laube dieses Aufsatzes finden sich Heilige nur ausnahms-
weise aufgestellt. Es handelte sich in solchen Fällen gewöhnlich um den Patron
der Kirche oder, wenn die Monstranz zugleich oder vordem ein Reliquiar war,
um den Heiligen, dessen Reliquien es enthalten hatte. Sonst waren es außer dem
oder den Patronen der Kirche namentlich der Patron des Stifters oder Heilige,
die sich einer besonderen Verehrung erfreuten, welchen man einen Platz an der
Monstranz einräumte. Sie waren gedacht als Abbild des himmlischen Hofstaates
des im heiligsten Sakrament gegenwärtigen Königs. Szenische Darstellungen fin-
den sich nur ausnahmsweise als Schmuck am Schaugefäß der türm- und retabel-
förmigen Monstranzen. Es sind stets Darstellungen, die sich unter diesem oder
jenem Gesichtspunkt auf das heiligste Sakrament beziehen. Beispiele wurden
schon angeführt. (8) Der Jessebaum, der die Maihinger Monstranz umrankt
(Tafel 69), hat an ihr einen ähnlichen Sinn wie die Gottesmutter mit dem Jesus-
kinde im bekrönenden Aufsatz des Behälters mancher Monstranzen. Wie der
menschgewordene Gottessohn, so ist auch das heiligste Sakrament, das ist der
Gottmensch unter den Gestalten des Brotes, Frucht aus der Wurzel Jesse.

Die Scheibenmonstranzen sind durchweg, wie früher gesagt wurde, mit Bild-
werk nur sparsam versehen; auch ist dieses wenig mannigfaltig. Hauptschmuck
war bei ihnen nicht Figurenwerk, sondern eine möglichst große und wechsel-
volle Fülle von Ornament, demgegenüber das ihm etwa eingefügte Bildwerk so
zurücktritt, daß es meist fast nur als bloße Zugabe zu ihm erscheint. Das gilt
besonders auch von den am Schaugefäß der Scheibenmonstranzen so beliebten
hier knienden, dort schwebenden, hier jubilierenden, dort anbetenden oder Lei-
denswerkzeuge tragenden, hier auf Wolkenballen thronenden oder sich tum-
melnden, dort Bändel-, Ranken- oder Schnörkelwerk eingearbeiteten Engelchen.
Oft wollen diese sogar kaum etwas mehr sein als die Wolken, Ranken und
Schnörkel, denen sie eingefügt sind, bloßes Ornament. Von sonstigem Figuren-
werk begegnen uns am Schaugefäß der Scheibenmonstranzen namentlich noch
eine Halbfigur Gottvaters, der bisweilen die Taube des Heiligen Geistes zuge-
gesellt ist, eine Ganz- oder Halbfigur Marias sowie auch wohl der Jessebaum.
Die Figur Gottvaters befindet sich stets oberhalb des Behälters für das Alier-
heiligste, hart unterhalb des Scheitels des Schaugefäßes (Tafel 7.4, 76). (9)
ihre Bedeutung ist klar. Sie sagt gleichsam: »Dieser ist mein geliebter Sohn, an
dem ich mein Wohlgefallen habe« (Matth. 3, 17). Ist sie von der Taube des
Heiligen Geistes begleitet, so soll das wohl zum Ausdruck bringen, daß die Ge-
genwart des Gottmenschen in dem in der Monstranz zur Anbetung und Ver-
ehrung ausgesetzten heiligsten Sakrament das Werk der Allmacht des Heiligen
Geistes ist. Als Ersatz der Darstellung Gottvaters findet sich bei Sonnenmon-
stranzen des späten Barocks bisweilen das Auge Gottes.

Maria ist entweder dargestellt das Jesuskind auf dem Arm tragend oder in
der Weise, daß der Behälter mit dem Allerheiligsten sich an Stelle ihres Schoßes
befindet, eine gut gemeinte, aber echt barocke und wenig geschmackvolle Dar-
stellung, die indessen in ihrer Zeit vielen Beifall gefunden haben muß, da sie

(8) Vgl. oben S.402. (9) Vgl. auch die Beispiele bei Weingartser 181,243,247, 249,250.
 
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