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Braun, Joseph
Das christliche Altargerät in seinem Sein und in seiner Entwicklung — München, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.2142#0465

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ZWEITES KAPITEL. BESCHAFFENHEIT 443

worden sein, häufiger entstanden silberne oder doch versilberte Kännchen-
schüsseln.

Nach Myller soll die Schüssel einen ebenen Boden haben, ringsum mit einem
Rand versehen sein, der an Höhe jedoch die Dicke eines Fingers nicht über-
schreiten dürfe, von runder Form und so groß sein, daß bei der Finger-
waschung das Wasser nicht auf den Boden fließe. Häufiger war sie jedoch
nicht rund, sondern oval. Im Spätbarock erscheinen die Urnrisse der Schüssel
unruhig, geschweift (Tafel 85, 86). (3) Der Klassizismus bedeutete dann aber
auch für die Kännchenschüssel eine Rückkehr zu ruhigen Formen.

Mit Schmuck wurden die für den AHtagsgebrauch bestimmten Kännchen-
schüsseln nicht versehen, höchstens, daß man den Rand entlang einen Perlfries
anbrachte. Anders hielt man es aber mit den an Festtagen zur Verwendung
kommenden. Nicht bloß, daß man ihren meist breiten Rand mit Schmuck über-
zog, auch ihre Vertiefung erhielt solchen, ausgenommen nur die von gravierter
oder getriebener Einfassung umrahmten Kreise, welche die Stellen für die bei-
den Kannchen kennzeichneten. Ausgeführt wurde er vornehmlich in Treib-
arbeit. Das Ornament, mit dem man die Schüssel bedachte, bestand vornehm-
lich in Akanthusranken und Akanthusblattwerk, in Fruchtstücken, Bandwerk,
Monogrammen der Namen Jesu und Maria, Engelköpfchen und Engelchen, in
der Zeit des späten Rokoko vorherrschend in Schnörkelwerk. Anderes Figuren-
werk als Engelchen brachte man seltener und auch dann meist nur in geringe-
rem Ausmaß auf ihnen an. In größerer Zahl finden sich getriebene Darstel-
lungen, Christus an der Geißelsäule, Maria als Schmerzensmutter, die Kreuz-
tragung, die Entkleidung, die Auferstehung und die Evangelisten, auf einer
prächtigen Kännchenschüssel im Dom zu Gran. Die Evangelisten mit ihren
Symbolen sind auch auf dem Rand einer im übrigen mit zierlichem Früh-
rokokoornament geschmückten Kännchenschüssel in der Stiftskirche zu Ell-
wangen dargestellt (Tafel 82).

Daß man die festtäglichen Kännchenschüsseln auch wohl mit Steinen, meist
Halbedelsteinen oder imitierten Edelsteinen, schmückte, zeigen beispielsweise
eine Kännchenschüssel in der Stiftskirche zu Melk, (4) im Dom zu Eichstätt
(Tafel 85), zu St. Paul in Kärnten, in der Kreuzkirche zu Gmünd in Württem-
berg und in der Franziskanerkirche zu Würzburg (Tafel 86), welch letztere
insbesondere auch dadurch bemerkenswert ist, daß sie auf dem Rand in Silber-
filigran ausgeführtes Blattwerk als Verzierung aufweist. Als Beispiele von
Kännchenschüsseln, deren Rand Scheibchen mit figürlichen Darstellungen in
Maleremail aufgesetzt sind, seien genannt die Kännchenschüssel zu Gmünd, in
der Franziskanerkirche zu Würzburg und in der Stiftskirche zu Melk sowie eine
Kännchenschüssel im Dom zu Osnabrück. Die Emailplättchen auf der Schüssel
zu Gmünd geben die Fußwaschung, das Abendmahl, das Mahl zu Emmaus und
den heiligen Joseph wieder, die Scheibchen auf der Schüssel zu Melk Szenen
aus dem Leben Christi. Die Plättchen auf der Schüssel in der Franziskaner-
kirche zu Würzburg stellen die Evangelisten mit ihren Symbolen dar, die
Emailscheibchen des Kännchentellers im Dom zu Osnabrück die Verkündigung,

(3) Vgl. auch die Abb. bei Wkisgautser 202, 206, 311. (4) Abb. bei Weikgartser 310.
 
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