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Brugsch, Heinrich [Bearb.]
Thesaurus inscriptionum Aegyptiacarum: altaegyptische Inschriften (Band 2): Kalendarische Inschriften altaegyptischer Denkmaeler — Leipzig, 1883

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https://doi.org/10.11588/diglit.5489#0007
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VORWORT.

Nicht ohne eine gewisse Genugthuung zu empfinden übergebe ich hiermit die zweite
Abtheilung des „Thesaurus", die kalendarischen Inschriften enthaltend, der öffentlichen Beur-
teilung. Mehr als jemals sind mir bei der Sichtung, Zusammenstellung und Bearbeitung des
überreichen Stoffes, dessen Fülle nie erschöpft zu werden scheint, die besonderen Schwierigkeiten
entgegengetreten, welche sich an die richtige Erkenntniss und an das volle Verständniss des
Kalenderwesens der alten Aegypter während einer Zeitdauer von über dreitausend Jahren knüpfen.
Wenn es für einen klassischen Philologen und Historiker, der mit der Sprache und den Kunst-
ausdrücken seiner alten Gewährsmänner auf dem Gebiete der Astronomie und des Kalender-
wesens vollkommen vertraut ist, nicht zu den leichten Aufgaben gehört, alle Fragen zu beant-
worten, welche die Systeme der Zeitrechnung der Griechen und Römer berühren, so fehlt ihm
wenigstens nicht die nothwendige Voraussetzung für seine Untersuchungen d. h. unzweideutige,
weil verständliche Ueberlieferungen aus der Feder klassischer Zeugen. Der Forscher auf dem
Gebiete des altägyptischen Kalenderwesens kann sich gegenwärtig eines gleichen Vorzuges
durchaus noch nicht rühmen. Ist auch die Schrift und die Sprache, welche den Ueber-
lieferungen in zahllosen Inschriften und Texten zu Grunde liegen, in so weit festgestellt und
erkannt, um dem allgemeinen Verständniss derselben keine unüberwindlichen Hindernisse in
den Weg zu legen, so beginnt das Reich dunkler Räthsel und endloser Schwierigkeiten gegen-
über der grossen Zahl technischer Ausdrücke, welche die astronomische und kalendarische Sprache
der überlieferten Inschriften bilden. Hierzu tritt der erschwerende Umstand, dass uns aus keiner
Epoche der ägyptischen Geschichte besondere Abhandlungen oder Werke erhalten sind, in welchen
die Grundlagen der Zeitrechnung und ihre Vorbedingungen dem Gelehrten unserer Tage zugäng-
lich gemacht wären. Dass es an solchen bei den Aegyptern nicht fehlte, beweisen erhaltene
ßüchertitel wie „Wissenschaft von der periodischen Bewegung der Sonne und des Mondes",
»Regel der periodischen Bewegung der Sterne" (ÄZ. 1871. p. 44) oder „das Buch von der Ge-
burt des Gottes" d. h. von dem Eintritt der Sonne in ihre Hauptstände im Laufe des Jahres
(s. unten S. 403), „die Bücher von den Conjunctionen der Sonne" (S. 457), „das Buch vom
Jahresschlüsse", „das Buch von den fünf Schalttagen des Jahres" (S. 479) und andere mehr.
Nur gelegentlich erscheinen in den Kalendern oder in kalendarischen Inschriften Andeutungen,
welche einiges Licht auf bestimmte, den Gegenstand berührende Kunstausdrücke werfen.

Dem gesammten ägyptischen Kalenderwesen diente ausserdem nicht die Absicht als Unter-
lage, dasselbe zunächst als ein Mittel für die historische Zeitrechnung im strengen Sinne des
Wortes zu betrachten und zu verwerthen, sondern es erscheint fast ausschliesslich in mytholo-
gischem Gewände und in steter Verbindung mit den Festen der einzelnen Gottheiten des ägyp-
tischen Pantheon. Da die religiösen Feiern ihren ersten Ursprung astronomisch-kalendarischen
Begebenheiten verdanken, so handelt es sich darum, auch die mythologische Sprache zu verstehen,
Wn den kalendarischen Angaben die Hülle abzunehmen und den trocknen nackten Kern aus
seiner bunten Schale zu befreien.

Ich glaube, nach diesen beiden Richtungen hin, in der vorliegenden Abtheilung die wichtigsten
Beiträge zur Erkenntniss der technischen und mythologischen Sprache der Kalender-Inschriften
geliefert zu haben. Die von mir entdeckten Bezeichnungen für die Conjunctionen, für die
Sonnenstände und für die Farben der Sonne an den vier Hauptpunkten des Jahres, für die
Anfänge der vier Jahreszeiten u. a. m. (S. 408 fl. 434 fl.) müssen meiner Meinung nach eine
vollständige Umwälzung hervorrufen, die auch für die berechnende Chronologie die wichtigsten
Ergebnisse herbeiführen wird. Da ich das Glück hatte, erst mitten im Laufe der Publication
dieser Abtheilung die eigentliche Bedeutung der betreffenden Ausdrücke zu erkennen, so empfehle
ich es dem Leser, sich zunächst mit dem Inhalt der angeführten Seiten bekannt zu machen und
seine Schlüsse danach einzurichten. Dass auch das richtige Verständniss der Hauptgestalten in der
 
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