Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0110

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
100

Die Maler.

von ihrer Schönheit einbüsste, während die andere dadurch erst ihre volle Wir-
kung hervorbrachte.

Wir wollen dem Verdienste des Pausias in der Lösung der hier ange-
deuteten Probleme möglichst enge Grenzen ziehen, und keineswegs behaupten,
dass er etwa Bilder aus einem andern als dem natürlichen Augenpunkte, welcher
dem Auge des Beschauers gerade gegenüber in dem natürlichen Horizonte liegt,
künstlich konstruirt habe, wie man dies bei den Gemälden von Gewölben und
Kuppeln in der neuern Kunst namentlich in den Zeiten des Verfalls häufig ge-
than. Wir wollen ihm nur das Vermögen zuerkennen, eine Gomposition auf
eine gewölbte Fläche so zu übertragen, dass dadurch das natürliche Verhältniss
der einzelnen Theile nicht beeinträchtigt erscheine. Sollte man jedoch auch
hiergegen noch Zweifel erheben und eine bewusste Anwendung optischer oder
perspectivischer Gesetze in dieser Richtung als mit den uns erhaltenen Werken
im Widerspruche stehend leugnen wollen, so vermögen wir noch auf anderem
Wege darzuthun, dass die mathematischen Studien, wie sie schon von Pam-
philos als die Grundlage der künstlerischen Bildung betrachtet wurden, durch
Pausias eine weit grössere praktische Anwendung erhielten, als wir gemeinhin
für die griechische Kunst anzunehmen pflegen. Er war nemlich auch ein
148 Meister in kunstmässigen Verkürzungen. Den Beweis dafür liefert sein
Stieropfer, in welchem er den Stier von vorn, nicht von der Seite darstellte.
Auch dafür wird man sich unter den erhaltenen Werken vergeblich nach zahl-
reichen Analogien und Belegen umsehen. Denn die Viergespanne z. B., wie sie
sich auf Vasen alten Styls oder auf einem der selinuntischen Reliefs in der
Vorderansicht gebildet finden, wird man nicht als Beispiele kunstmässiger Ver-
kürzungen anführen wollen. Und doch spricht Plinius gerade von einer solchen
mit vollster Bestimmtheit, wenn er hinzufügt, dass man trotz dieser Anordnung
die Länge des Stieres vollkommen erkannt habe. Hier müssen wir es nun
einem besonders günstigen Geschicke Dank wissen, dass es uns ein Werk be-
wahrt hat, welches dem Alterthum ohne Widerrede das Verdienst sichert, die
Kunst der Verkürzungen gekannt zu haben. Dieses Werk ist das Mosaik der
Alexanderschlacht aus Pompei: das Pferd in der Mitte der Gomposition, welches
von hinten gesehen wird, bildet das gerade Gegenstück zum Stier des Pausias.
Wie aber dadurch auf der einen Seite der Ruhm dieses Künstlers als desjenigen
gesichert wird, der es vermöge seiner wissenschaftlichen Bildung zuerst ver-
standen, ein solches Problem zu lösen, so gewinnen wir auf der andern Seite
für jenes Mosaik einen bestimmten Berührungspunkt mit der Entwickelungs-
geschichte der griechischen Malerei, indem wir jetzt wenigstens nachzuweisen
vermögen, wo und durch welche Mittel die Vorbedingungen für die Schöpfung
dieses bis jetzt in der griechischen Malerei einzig dastehenden Werkes erfüllt
waren. Ich will damit keineswegs behaupten, dass die Composition ein Werk
der sikyonischen Schule sein müsse; wohl aber, dass so zu componiren erst
möglich wurde, nachdem die Malerei von Sikyon aus ihre theoretische und
wissenschaftliche Durchbildung erhalten hatte.

Doch wir kehren zu Pausias und seinem Stieropfer zurück, welches uns
auch noch auf eine andere Eigenthümlichkeit des Künstlers hinweist, nemlich
auf seine Art, die Farbe zu behandeln. Die Ausdrucksweise des Plinius ist
 
Annotationen