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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0111

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IV. Die Maler vom Ende des pelonpnn. Krieges bis zum Tode Alexanders d. Gr. 101

zwar gerade an dieser Stelle besonders dunkel, vielleicht weil er selbst von der
besondern Art der Technik keinen hinlänglich deutlichen Begriff hatte. Machen
wir uns diese klar, so werden uns wenigstens in der Hauptsache keine Schwie-
rigkeiten bleiben. Das Abweichende im Verfahren des Pausias bestand zunächst 149
darin, dass er den Stier nicht mit einer hellen Farbe anlegte, sondern mit einer
dunkeln, und ^war geradezu mit dem Schwarz des Schattens. Denn darauf
glaube ich die Worte: umbraeque corpus ex ipsa dedit, deuten zu müssen:
während andere in den lichten Grundton das Dunkle oder Schwarz des Schattens
hineintrugen (condunt nigro), bildete dieses bei dem Stiere den Grundton, so
dass der Schatten keine weitere Bezeichnung verlangte, sondern sich, so zu
sagen, aus sich selbst darstellte. Das weitere dieses Verfahrens wird uns nun
am besten deutlich werden, wenn wir uns fragen, wodurch es überhaupt ver-
anlasst wurde. Ich glaube, durch nichts anderes, als durch die eigentümliche
Substanz des darzustellenden Gegenstandes. Das schwarze glänzende Haar am
eile des Stieres ist nicht ein Körper, an welchem sich die grössere oder ge-
nngere Stärke des einwirkenden Lichtes in regelmässigen Abstufungen zu zeigen
vermag; vielmehr brechen sich die Strahlen daran; und wir erkennen daher
weniger Licht und Schatten, als die tiefe dunkele Grundfarbe des Stoffes und
Reflexe. Hieraus erklärt es sich also zuerst, weshalb dem Künstler das tiefe
Schwarz als Localfarbe dienen musste, sodann aber auch, wie ,,in confracto
solida omnia", d. h. in der Verkürzung die einzelnen Theile des Körpers doch
als ein zusammenhängendes Ganze erscheinen konnten. Der gemeinsame Grund-
ton ward nemlich nicht durch scharfe Gegensätze von Licht und Schatten zer-
rissen, indem die Reflexe nicht eigentlich als eine Veränderung des Farbentones
erschienen, sondern als ein über den Grundton hingehauchter Glanz (recht eigent-
lich splendor, alius hic quam lumen: Plin. 35, 29), der auch technisch als solcher
besser durch Lasuren, als durch consistente Farben darzustellen ist. Dabei aber
lässt sich durch eine richtige Behandlung dieses Glanzes eine vollständige Dar-
stellung der Oberfläche eines Körpers nach ihren hervorragenden und zurück-
tretenden Theilen erreichen, so dass also nicht minder als „in confrecto solida
omnia" auch die einzelnen Theile „in aequo exstantia" erschienen. Dem Laien
möchte diese ganze Behandlungsweise am besten durch die Bemerkung anschau-
lich zu machen sein, dass sie dieselbe ist, welche auch jetzt noch zur Darstel-
lung von Sammet- und Atlasstoffen angewendet wird. Dass sie aber der ganzen 150
Weise des Pausias nicht fremd war, dafür möchte ich eine weitere Bestätigung
m dem finden, was Pausanias von der gläsernen Schale der Methe erzählt: dass
httan nemlich nicht nur den Stoff selbst, sondern durch das Glas auch das Ge-
sicht der Methe erkenne. Wir haben zwar schon von den Trauben, nach welchen
die Vögel flogen, von dem gemalten 'Vorhange, welcher einen Maler täuschte,
erzählen hören und daraus abnehmen müssen, wie weit man im Stande war,
Illusion hervorzubringen. Die Aufgabe, welche sich Pausias gestellt, war aber
von den genannten doch wegen des darzustellenden Stoffes wesentlich verschie-
den, da dieser durchsichtig ist, und deshalb die Lichtstrahlen nicht in sich auf-
nimmt, sondern entweder durchlässt oder bricht. Auch hier hatte also Pausias
nicht Licht und Schatten, sondern einen noch dazu farblosen Körper und die
Reflexe und Glanzlichter in demselben, also ebenfalls wieder splendor darzu-
 
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