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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0108

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Die Maler.

Pausias.

Pausias erscheint unter den Schülern des Pamphilos als derjenige, welcher
von den theoretischen Studien und Forschungen seines Lehrers die umfassendsten
praktischen Anwendungen zu machen verstand. Hören wir darüber vor Allem
den ausführlichen Bericht des Plinius •):

„Auch Pamphilos, des Apelles Lehrer, soil die Enkaustik nicht allein selbst
ausgeübt, sondern auch darin den Pausias von Sikyon unterwiesen haben,
welcher zuerst in dieser Gattung Ruhm erwarb. Dieser war der Sohn des [uns
sonst gänzlich unbekannten] Bryetes und anfänglich auch dessen Schüler.
Er malte auch mit dem Pinsel Wandgemälde zu Thespiae, als die früher von
Polygnot gemalten wiederhergestellt wurden; doch urtheilte man, dass der Ver-
gleich sehr zu seinem Nachtheil ausfalle, weil er sich in einer ihm nicht eigen-
thümlichen Gattung der Malerei in den Wettstreit eingelassen. Er war auch
der erste, der anfing, Decken (lacunaria) zu malen, während es vor ihm nicht
Sitte war, Gewölbe (camaras) in dieser Weise zu schmücken. Er malte kleine
Bildchen und besonders Kinder. Dies deuteten seine Nebenbuhler dahin, dass
er es thue, weil diese Art der Malerei (nemlich die Enkaustik) langsam von
Statten gehe. Um sich daher auch den Ruf der Schnelligkeit zu erwerben,
vollendete er in einem Tage ein Bildchen, einen Knaben darstellend, das des-
halb den Namen Hemeresios, das Eintagsbild, erhielt. In seiner Jugend liebte
er seine Landsmännin Glykera, eine Kränzebinderin; und indem er im Wett-
eifer sie nachahmte, brachte er diesen Kunstzweig zur reichsten Mannigfaltigkeit
in Zusammenstellung der Blumen. Schliesslich malte er sie selbst mit einem Kranze
sitzend, und dieses, eines seiner berühmtesten Gemälde, ward Stephanoplokos,
die Kränzewinderin, genannt, von andern Stephanopolis, die Kränzeverkäuferin,
weil Glykera durch den Verkauf von Kränzen sich in ihrer Armuth unterhalten
halte. Ein Exemplar dieses Gemäldes, welches man apographon nennt (viel-
leicht wegen des hohen Preises nicht eine blosse Gopie, sondern eine Wieder-
holung von der Hand des Künstlers), kaufte L. Lucullus für zwei Talente an
den Dionysien zu Athen. Pausias malte aber auch grosse Gemälde, wie das
im Porticus des Pompeius aufgestellte Stieropfer. Dieses Gemälde (oder: diese
Art zu componieren) erfand er zuerst: nachherhaben viele sie nachgeahmt, keiner
erreicht. Vor allem, indem er wollte, dass sich die Länge des Stieres zeige,
malte er ihn von vorn, nicht von der Seite; und doch erkennt man hinlänglich
seine Ausdehnung. Während man sonst ferner, was hervortretend erscheinen
soll, mit leichter Farbe anzulegen und mit dunkler zu decken pflegt, machte
er den ganzen Stier von schwarzer Farbe und gab dem Körper Schatten aus
sich selbst; und doch Hess die Vortrefflichkeit der Kunst auf der Fläche alles
hervortretend und in der gebrochenen Verkürzung zusammenhängend erscheinen.
Auch er lebte zu Sikyon, und lange war dies das Vaterland der Malerei; alle
öffentlichen wegen der Staatsschuld zum Verkauf gebrachten Gemälde versetzte
die Aedilität des Scaurus von dort nach Rom."

Ausser dieser höchst bedeutenden, aber der Erklärung vielfach bedürftigen

J) 35, 123-127.
 
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