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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0106

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96 Die Maler.

für nöthig erachtete, giebt uns nur einen Begriff von der Gründlichkeit des Lehrers
im Allgemeinen. Nicht mehr ergiebt sich uns aus der Nachricht von dem Unter-
richt im Zeichnen, wie er durch den Einfluss des Pamphilos unter die Gegen-
stände der Erziehung aufgenommen wurde. Denn dass er bei seinen eigenen
Schülern die Grundlage bildete, versteht sich eigentlich voij, selbst, indem die
durch praktische Uebung erlangte Sicherheit die Vorbedingung für die Durch-
führung jedweder künstlerischen Aufgabe ist. Wenn es ferner heisst, er habe
als einer der ersten enkaustisch gemalt und auch den Pausias in dieser Gattung
der Malerei unterwiesen1), so folgt daraus ebenfalls nur, dass er auch das rein
Technische in den Kreis seiner Studien, wie seiner Lehre gezogen habe. Von
seinen Schriften sind uns nicht einmal Bruchstücke erhalten.

So bleibt uns eigentlich als das gewichtigste Zeugniss für die Vortreff-
lichkeit seiner Lehre immer nur der Erfolg seiner Schüler. Wie wir aber den-
selben immer schon im Auge hatten, wenn wir dem Pamphilos eine der ersten
Stellen in der Entwickelungsgeschichte der Malerei anwiesen, so wird es uns
142 vielleicht später möglich werden, auch im Einzelnen auf gewisse Eigenthümlich-
keiten des Meisters aus den besonderen Verdiensten der Schüler zurückzu-
schliessen, namentlich da, wo diese als ein Ausfluss seiner allgemeinen hin-
länglich scharf hervortretenden Grundrichtung erscheinen.

Melanthios.

Melanthios, oder, wie Plutarch 2) ihn nennt, Melanthos, scheint seinem
Lehrer Pamphilos unter allen Schülern am nächsten verwandt gewesen zu sein.
Denn Quintilian 3) ertheilt beiden gemeinsam das oben gewürdigte Lob der ratio,
einer auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhenden Kunstübung. Wie sein
Meister schrieb er auch über die Kunst: Plinius führt ihn unter den Quellen
des 35sten Buches an; und es ist sehr wahrscheinlich, was Marini vermuthet,
dass unter den Schriftstellern über Symmetrie bei Vitruv4) sein Name an die
Stelle des gänzlich unbekannten Melampus zu setzen ist; um so mehr als die
Studien über Symmetrie in der sikyonischen Kunst ganz besonders heimisch
sein mussten. Diogenes Laertius theilt uns sogar ein Urtheil aus diesen Schriften
mit'1): cpi]ol yuQ detv avß-dösi-äv nva xal axXrj^örrjra rolg SQ'/oig £Turpe%eLV. Wenn
dieses dahin lautet, dass am Kunstwerke eine gewisse Keckheit und Schärfe
wahrnehmbar sein solle, so wissen wir freilich nicht, ob hier mehr vom Ent-
würfe oder von der Durchführung die Rede ist. Doch scheint der Vergleich
mit dem freien und offenen, weder ängstlichen noch abgeschliffenen Benehmen
eines Mannes, wie er sich aus dem Zusammenhange der Stelle ergiebt, eine
nicht zu streng wörtliche Deutung der obigen Ausdrücke zu erheischen. Auch
begreift es sich bei einem Künstler, welcher auf die gründlichste Durchbildung
den Nachdruck legt, wie er mit [eben solcher Sorge wacht, dass nicht über-
triebene Rücksichten darauf dem Werke die Frische rauben, dass nicht ewiges
Bessern und Feilen eine zu grosse Glätte und in Folge derselben Weichheit
oder Mattigkeit erzeugen. Unter solchem Gesichtspunkte gewinnt der Ausspruch

]) Plin. 35, 123. -') Arat. 12—13. 3) XII, 10. *) VIT, praef. § 14. 5) IV, § 18.
 
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