Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0021

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. Polygnotos und seine Zeitgenossen.

11

Zweiter Abschnitt.
Polygnotos und seine Zeitgenossen.
Polygnotos.

„Polygnot, Sohn und Schüler des Aglaophon, stammte von der Insel
Thasos, erhielt aber das athenische Bürgerrecht zum Danke dafür, dass er die
Poekile, oder nach Andern die Gemälde im Theseion J) und Anakeion unent-
geltlich gemalt halte.1' So berichtet Harpokration, und nach ihm Suidas und 15
Photius'-) aus der Rede Lykurg's nsgl Ti/g'Ie^iiag.; und daraus erklärt es sich,
weshalb Tbeophrast bei Plinius 3) den Polygnot Athener nennen konnte, während
er auch anderwärts immer Thasier heisst. — Ueber die Zeit seiner Thätigkeit
bemerkt Plinius ') nur allgemein, dass sie vor Ol. 90 zu setzen sei. Doch stehen
uns ausserdem andere weit bestimmtere Angaben zu Gebote. So werden wir
zuerst durch den Umstand, dass für das eine Bild in der Lesche zu Delphi
Simonides die Inschrift dichtete, mindestens bis auf Ol. 78, 2, das Todesjahr
des Dichters, zurückgeführt. Ja, da Simonides schon Ol. 75, 4 nach Sicilien
ging, ohne von dort wieder nach Griechenland zurückzukehren, so hat Letronne :>)
daraus sogar folgern wollen, dass die delphischen Gemälde selbst vor diesen
Zeitpunkt zu setzen seien. Doch ist zur Abfassung des Epigrammes die Gegen-
wart des Dichters in Delphi nicht nothwendig vorauszusetzen. Immer aber mag
die Thätigkeit des Polygnot bald nach den Perserkriegen begonnen haben und
das delphische Gemälde eines seiner ersten umfangreichen Werke gewesen sein,
durch welches sich sein Ruhm über ganz Griechenland verbreitete und die Auf-
merksamkeit des Kimon auf die Person des Künstlers gelenkt wurde. Denn
mit der Staatsverwaltung des Kimon hängt die Thätigkeit des Polygnot in Athen
auf das Engste zusammen; und der Künstler scheint zu dem Staatsmanne in
einem ähnlichen Verhältnisse gestanden zu haben, wie Phidias zu Perikles. In
welchem Jahre er nach Athen gekommen sei, darüber mangeln freilich positive
Angaben. Doch verdienen vor allem zwei Zeitpunkte in Betracht gezogen zu
werden: die nemlicb, welche uns durch die Gegenwart des Kimon in der Heimath
des Künstlers gegeben sind. Ol. 77, 2 führte Kimon die Gebeine des Theseus
von Skyros nach Athen; Ol. 79, 2 unterjochte er die von den Athenern ab-
gefallene Insel Thasos aufs NeueDa nun aber die Versetzung der Gebeine den
Bau des Theseustempels zur unmittelbaren Folge hatte, und Polygnot zu dessen
Ausschmückung mit Gemälden thätig war, so bietet sich uns von selbst die
Annahme dar, dass Kimon den Künstler schon damals und sogleich für diesen 16
bestimmten Zweck mit sich nach Athen geführt habe. Seine nahen Beziehungen

l) Dass für ©Jjffttug'jj zu lesen sei ÖijotMb' UQtji oder 0i)<r«/ty, wird jetzt wohl allgemein
anerkannt. 2) s. v. JIöi.xiyvanog. :l) 7. 205. *) 35, 58. ~>) Lettres d'un antiquaire a im
artiste, p. 452. °) Vgl. Clinton fasti s. a.
 
Annotationen