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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0210

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200

Die Maler.

Begünstigung zu erfreuen hatte, als deren Hauptvertreter wir am Ende der
vorigen Periode den vielseitigen Antiphilos kennen lernten. Sie suchte die
lehendigen, bewegten Aeusserungen des Lebens in den verschiedensten Be-
ziehungen, sei es in seiner rein materiellen Thätigkeit, sei es in geistiger oder
affectvoller Erregung zu erfassen. Nach der einen Seite hin führt dies zu reiner
Genrebildung, für deren Gedeihen einige Werke rhodischer Künstler, das Maler-
atelier mit dem Feuer anblasenden Knaben von Philiskos, die Walkerwerkstatt,
Quinquatrusfeier >) von Simos, Zeugniss ablegen. Auf der anderen Seite erklärt
sich daraus das Vorwiegen gewisser Arten von mythologischen Darstellungen.
Man wählte Scenen, welche eine lebendige Entfaltung der Handlung zuliessen:
die Befreiung der Andromeda oder des Prometheus, Herakles, der vom ötäischen
Scheiterhaufen zum Olymp aufsteigt, des Herakles Streit mit Laomedon, Danae
von Seeräubern bewundert; mit noch grösserer Vorliebe aber wandte man sich
der Bearbeitung solcher Momente zu, die schon an sich bei dem Beschauer die
lebhafteste Aufregung, Furcht und Entsetzen, hervorrufen mussten. Gemälde,
wie die der Aerope, der Klytaemnestra, des Eteokles, Kapaneus, verdankten
ihren Ruf gewiss der Gewalt des ihnen inwohnenden tragischen Pathos. Da-
neben mochte allerdings auch die entgegengesetzte Kunstrichtung, welche weniger
in der Handlung, als in einer vollendeten Durchführung ihr Verdienst suchte,
298 ihre Verehrer finden. Eine Venus, ein Pan. eine Harfenspielerin, ein Mann mit
einem oder zwei Rossen, Arat als Sieger mit einer Trophäe führen uns auf den
Kreis von Ideen, in welchem früher Apelles und Protogenes sich bewegten. Das
Glänzendste jedoch brachte diese Zeit auch nach dem Urtheile der Alten da
hervor, wo die Vorzüge der bisher betrachteten verschiedenen Bestrebungen sich
zu einer Einheit verschmolzen zeigen. Dies war in den Werken des Timomachos
der Fall. Ohne zu den äusserlichen Effecten seine Zuflucht zu nehmen, welche
die materielle Behandlung von Schreckenscenen in voller Ausführlichkeit dar-
zubieten vermochte, verstand er es, durch die feinste Durchführung der psycho-
logischen Motivirung, in seinöm Aias und der Medea unter der Hülle einer schein-
baren äusseren Ruhe doch die tiefste innerste Erregung zur Anschauung zu
bringen und den Beschauer die unwiderruflich nahende tragische Katastrophe
ahnen zu lassen; oder in der Gorgo die schönsten Formen mit dem Ausdrucke
der Erstarrung des Todes zu erfüllen. Solche Werke zeigen, dass auch in der
Malerei die Kraft des Geistes, welche einen Laokoon zu schaffen vermochte,
noch nicht erstorben war. Aber Timomachos steht vereinzelt da: seine Er-
scheinung gleicht dem Lichte, welches vor dem Verlöschen noch einmal einen
hellen, aber kurzen Glanz verbreitet, um uns die folgende Dunkelheit nur um
so deutlicher empfinden zu lassen.

Anhang.

In der Geschichte der Bildhauer haben wir diejenigen von Plinius an-
geführten Namen, welche anderwärts keine Stelle finden konnten, am Schlüsse
der Periode der Diadochen zusammengeordnet. Dieselben Gründe, welche uns

J) Das* Beides in einem und demselben Bilde dargestellt war, vermuthet, wie ich
nachträglich bemerke, 0. Jahn, arch. Zeit. 1854, S. 191.
 
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