Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0179

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IV. Die Maler vom Ende des peloponn. Krieges bis zum Tode Alexanders d. Gr. 169

"wir es daraus, dass sein Werk das Vorbild für eine ganze Classe ähnlicher
Darstellungen geworden zu sein scheint. Eben so verhält es sich mit dem Licht-
effect des Feuer anblasenden Knaben. Dass er endlich auch auf dem Gebiete
der Karikatur, wenn nicht der erste Erfinder war, doch einen bestimmenden
Einfluss ausübte, lehrt schon der Umstand, dass der Titel eines seiner Werke
geradezu Gattungsname wurde.

Karikaturen, Lichteffecte, Scenen aus dem Alltagsleben lehren nun aller-
dings zur Genüge, dass wir bei Antiphilos nicht jene höhere Weihe zu suchen
haben, welche den Künstler gewissermassen als von der Gottheit erfüllt er-
scheinen lässt. Vielmehr muss sich jene an ihm gerühmte Leichtigkeit auf sein
ganzes geistiges Wesen erstreckt und ihm die Gabe verliehen haben, überall
gefällige, schlagende oder spannende Momente aufzufinden, welche auch ohne
eine besondere Tiefe der Auffassung durch eine lebendige und reiche Gesammt-
wirkung Befriedigung zu gewähren vermochten. Hiermit hängt aber nothwendig
zusammen, dass wir auch hinsichtlich der technischen Durchführung nicht die
höchsten Anforderungen stellen; dass wir nicht fragen, bis zu welchem Punkte
jede Einzelnheit vollendet ist, sondern vielmehr, ob das, was uns der Künstler
bietet, überall dem vorgesetzten Zwecke entspricht, d. h. zu jener beabsichtigten
Gesammtwirkung beiträgt.

Erinnern wir uns jetzt der Sage, dass Antiphilos und Apelles im Leben
Widersacher waren, so dürfen wir wohl geneigt sein, diese Feindschaft aus dem
Innern Gegensatze ihrer Kunstrichtungen abzuleiten. Die Aussprüche der An-
erkennung für seine Nebenbuhler, welche dem Apelles beigelegt werden, be-
treffen stets einzelne Seiten des künstlerischen Verdienstes innerhalb derselben
Richtung, der er selbst angehörte, und in welcher er anerkannt der Erste war.
Die bewegliche Leichtigkeit des Antiphilos dagegen widersprach seinem inneren
Wesen eben so, wie jenem der Sinn für die Bedeutung der vollendeten Durch-
führung des Apelles abgehen mochte. So gefasst gewinnt der Gegensatz der 252
beiden Künstler für uns eine über ihre Persönlichkeit hinausgehende historische
Bedeutung; und in der That wird es uns nicht an Veranlassung fehlen, im
Verlauf der ferneren Entwickelung auf denselben als Ausgangspunkt zurück-
zukommen.

Theo n.

Unter den sieben bedeutendsten Malern der Epoche Alexanders nennt
Quintilian J) endlich Theon von Samos als ausgezeichnet „concipiendis visioni-
bus, quas cpavraalag vocant", was später seine Erklärung finden wird. Plinius2)
führt ihn unter denjenigen Künstlern an, welche den ausgezeichnetsten dem Range
nach am nächsten stehen, und nennt als seine Werke das Bild des Kitharöden
Thamyras und „Orestis insaniam", d. i., wie wir aus Pseudo-Plutarch 3)
erfahren, den Muttermord des Orestes. Ein drittes Werk wird uns von Aelian 4)
allerdings in stark rhetorischer Färbung, aber docli so beschrieben, dass wir
dadurch am leichtesten zum Verständniss des Urtheils bei Quintilian gelangen.
„Die Tüchtigkeit des Malers Theon wird, wie durch vieles andere, so auch durch

!) XII, 10. 2) 35, 144. 3) de aud. poet. p. 18 A. ±) V. H. II, 44.
 
Annotationen