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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0227

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Historischer Ueberblick.

217

Sachen zu prüfen, welche auf einem von dem ihrigen verschiedenen Wege ge- 322
funden sind.

Wir lassen die historische Uebersicht dem alphabetischen Verzeichnisse
vorangehen. Ihr Inhalt stellt sich uns dadurch als eine Reihe von Sätzen dar,
welche sodann durch die folgenden einzelnen Erörterungen ihre weitere Be-
gründung finden.

Historischer Ueberblick.

Die Neigung der Griechen zur Sagenbildung verleugnet sich auch auf
dem Gebiete der Architektur nicht, sondern sucht den Mangel historischer Ueber-
lieierung in den ältesten Zeiten auf verschiedenen Wegen zu ergänzen. Man
wünscht überall einen bestimmten Anfang jedes Dinges zu kennen, und so ent-
stehen die Angaben über Erfindungen und Erfinder, von denen uns z. B. Pli-
nius (VII, c. 57) eine reiche Auswahl darbietet: ..Ziegeleien und Hausbau führten
zuerst zwei Brüder, Euryalos und Hyperbios, zu Athen ein; früher dienten
Hohlen statt der Häuser. Gellius nimmt Toxius, des Caelus Sohn, als Erfinder
des Hausbaues aus Lehm an, nach dem Vorbilde der Schwalbennester (§ 194). . .
Dachziegel erfand Kinyras, des Agriopas Sohn. . . Thrason die Mauern, die
Thürme nach Aristoteles die Kyklopen, nach Theophrast die Tirynthier (§ 195). .."
Was zur Zimmerwerkstatt gehört, wird (§ 198) dem Dädalos als Erfinder bei-
gelegt. Im Ganzen haben diese Angaben selbst für die mj'thologische Forschung
nur geringen Werth , indem sie, wenigstens in solcher Zusammenstellung wie
bei Plinius, einer ziemlich späten theoretisirenden Zeit angehören: jene Listen
von Erfindern gehen schwerlich über den Beginn der alexandrinischen Epoche
zurück. Vielfach — und das ist noch der günstigste Fall — sind sie einfach
aus einer andern älteren Klasse mythologischer Ueberlieferungen abgezogen:
solchen , welche sich an einzelne wirklich vorhandene Werke anknüpften. Die
Mauern von Tirynth sind schon bei Homer berühmt; als kyklopisch werden
die ältesten polygonen Mauerbauten vielfach bezeichnet; die Namen des Agrolas
und Hyperbios setzt Pausanias (I, 28, 3) mit dem Bau eines Theils der Mauern
der Akropolis von Athen in Verbindung u. s. w. Diesem Kreise von Sagen
gehören denn auch manche andere Erzählungen an, wie die von den Thesauren- 323
bauten des Trophonios und Agamedes. Allein wenn auch hier in der Erwähnung
jenes kunstreich eingefügten, aber beweglichen Steines ein eigentlich architek-
tonisches Moment schon bestimmter hervortritt, so ist doch die ganze Gestaltung
dieser Persönlichkeiten durchaus allgemein mythologischer Art (vgl. Preller
Myth. II, 346). Etwas anders verhält es sich mit den Sagen über Dädalos, dem
ja auch architektonische Werke beigelegt werden (s. Th. I, S. 15). Hier waltet
mehr das Streben, staunenswerthe Werke sehr alter Zeit zu irgend einer Per-
sönlichkeit in bestimmte Beziehung zu setzen, und hierzu eignete sich keine
mehr, als die des Mannes, welcher von der Sage an die Spitze der Kunst-
geschichte als der Kunstreiche überhaupt gestellt war. Doch bat sie ihn als
Architekten weit weniger individualisirt, denn als Bildhauer; und bestimmte
architektonische Kunstformen werden auf ihn keineswegs zurückgeführt. Ueber-
 
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