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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0225

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i

Einleitung.

Der Architekt ist als Künstler keineswegs geringer zu achten als der Bild-
hauer oder Maler. Seinem Werke gegenüber nimmt er jedoch in vielen Be-
ziehungen eine wesentlich verschiedene Stellung ein. Auch der vollendetste
Bau verfolgt nicht die künstlerische Schönheit als einzigen Zweck: vielmehr
muss die Erfüllung eines bestimmten praktischen Bedürfnisses vorgesehen sein,
noch ehe die Forderungen der Kunst sich geltend machen dürfen. So weit aber
der Architekt nur diesem ersten Zwecke genügt, ist er nur Handwerker oder
nach unserem Sprachgebrauche Techniker, und er darf dies zu sein auch dann
nie aufhören, wenn er wirklich Künstler wird. Trotz dieses engen Verhältnisses
zum Handwerk ist er aber weit weniger praktisch ausführender, als bloss ent-
werfender Künstler: der Bau ist weit weniger das Werk seiner Hand, als die
Statue und das Gemälde, und das persönliche Verhältniss des Urhebers ist daher
hei jenem in gewisser Beziehung ein entfernteres, als bei diesem. Hierzu ge-
sellt sich nun aber ferner die wesentlichste Verschiedenheit der Formen, in
welchen allein die Architektur ihre Ideen zur Darstellung zu bringen vermag.
Denn während der Bildhauer und Maler die belebte Welt in ihrer unendlichen
Vielgestaltigkeit sich zum Vorwurf nimmt, hat der Architekt nicht die Geschöpfe
der Wirklichkeit nachzubilden, sondern auf die durch statische und mechanische
Gesetze bedingten Glieder des Baues eine deren Wesenheit entsprechende ana-
loge Form der organischen Aussenwelt zu übertragen. In dem Verhältnisse
aber, als diese Formen nicht etwas Zufälliges und Willkürliches, sondern Not-
wendiges sind, wird auch die Individualität des Architekten seinem Werke gegen- 320
über weit mehr zurücktreten, als die des Malers und Bildhauers, welche aus
der Beobachtung und Auffassung jedes einzelnen Zuges der Wirklichkeit her-
vorleuchten darf. Diese flüchtigen Bemerkungen sollen natürlich das Verhältniss
der verschiedenen Künstler zu einander keineswegs erschöpfend darlegen; doch
werden sie immer genügen, um uns in dem besonderen Charakter der Ueber-
lieferungen über die einen und die andern nicht mehr ein blosses Spiel des
Zufalls erkennen zu lassen, welcher gerade bei den Architekten minder günstig
uns eine grössere Fülle von Nachrichten vorenthalten habe. Ihre Bestätigung
findet diese Ansicht schon darin, dass es keineswegs der Mangel berühmter
Namen ist, welcher uns Verlegenheit bereitet: gerade die Urheber der be-
rühmtesten Bauwerke sind uns meistens dem Namen nach bekannt: und die
noch erhaltenen Ruinen bieten häufig sogar die Möglichkeit einer weit unmittel-
bareren Anschauung ihrer Wirksamkeit, als dies bei den Malern und Bildhauern
 
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