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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0167

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IV. Die Maler vom Ende des peloponn. Krieges bis zum Tode Alexanders d. Gr. 157

Ziehungen unabhängig ist, so dass sich .wohl sagen lässt, Polygnot sei grösser
als Künstler im allgemeinen, denn als Maler im engeren Sinne des Wortes.
Apelles dagegen ist unerreichbar in der Meisterschaft, mit welcher er alle Mittel I
der malerischen Darstellung zu handhaben verstand; sein Ruhm beruht auf
der Kunst des Malens. In der Geschichte der Sculptur zeigen sich an den
Werken des Phidias Gedanke und Darstellung auf gleicher Stufe der höchsten,
harmonischen Vollendung. In der Geschichte der Malerei hat jedes dieser beiden
Gebiete seinen gesonderten Mittel- und Höhepunkt, und der Ruhm, welcher dort
den Phidias über alle andern unbezweifelt erhebt, erscheint deshalb hier ge-
theilt zwischen den beiden Persönlichkeiten des Potygnot und des Apelles.

Protogeiies.

Die Hauptquelle unserer Kenntniss dieses Künstlers bildet so vorzugs-
weise Plinius, dass wir seinen ganzen Bericht1) hier vollständig voranschicken
wollen: „Zugleich mit Apelles und Aristides blühte auch Protogenes. Sein
Vaterland war Kaunos, der Sitz eines den Rhodiern unterworfenen Stammes.
Höchste Armuth im Beginne seiner Laufbahn und das höchste Streben in der
Kunst erklären seine geringere Fruchtbarkeit. Wer sein Lehrer gewesen, hält
man nicht für ausgemacht. Einige meinen sogar, er habe Schiffe gemalt bis
zu seinem fünfzigsten Jahre: zum Beweise diene, dass, als er zu Athen an dem
berühmtesten Orte des Heiligthums der Athene das Propylaeon malte, er in dem
berühmten Gemälde des Paralos und der Hammonias, welches von Einigen
Nausikaa genannt wird, unter dem von den Malern als Parerga bezeichneten
Beiwerk kleine lange Schiffe angebracht habe, damit dadurch klar werde, von
welchen Anfängen seine Werke bis zum Gipfel glänzenden Ruhmes gelangt 234
seien. Die Palme unter seinen Gemälden hat der Jalysos, zu Rom im Friedens-
tempel geweiht. Als er ihn malte, soll er von feuchten Lupinen gelebt haben,
weil sie zugleich Hunger und Durst stillen, damit er nicht durch zu viel Wohl-
geschmack die Kräfte seiner Sinne abstumpfe. Auf dieses Bild trug er viermal
Farbe auf gegen die Gefahren der Beschädigung und" des Alters, damit, wenn
die obere Farbe wiche, die untere an ihre Stelle trete. Es befindet sich darauf
ein wunderbar gebildeter Hund, insofern an ihm auch der Zufall mitgemalt hat.
Der Künstler glaubte an ihm den durch das Keuchen hervorgebrachten Schaum
nicht gehörig herauszubringen, während er an allen übrigen Theilen, was sehr
schwer war, sich selbst genügt hatte. Es missfiel aber gerade die Kunstmässig-
keit; sie liess sich nicht mindern und schien doch zu gross und zu weit von
der Wahrheit entfernt; der Schaum schien gemalt zu sein, nicht aus der Schnauze
hervorzuquellen, zu grüsster Seelenpein des Künstlers, welcher in dem Bilde die
Wahrheit, nicht, die Wahrscheinlichkeit erstrebte. (Detters hatte er die Farbe
weggewischt und den Pinsel verändert, und konnte sich doch auf keine Weise
genügen. Endlich erzürnt auf die Kunstmässigkeit, dass sie sich so offen er-
kennen lasse, warf er den Schwamm auf die verhasste Stelle des Gemäldes,
und dieser setzte die weggewischten Farben wieder so hin, wie er es durch

!) 35, 101—10G.
 
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