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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0096

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Die Miüer.

Rückblick.

Bei einem Rückblicke auf die eben besprochenen Künstler müssen wir
uns zuerst die Frage vorlegen, ob es gerechtfertigt ist, mit ihnen eine ganze
Periode der griechischen Malerei abzuschliessen. Ihre Zahl ist gering; die Zeit,
in welcher namentlich die bedeutenderen unter ihnen lebten, ist kurz und über-
schreitet kaum die Dauer eines Menschenlebens. Dazu kommt, dass die Grenzen
zu Anfang wie zu Ende sich kaum fest bestimmen lassen. So haben wir be-
reits in der vorigen Periode einzelne Künstler angeführt, welche mit eben so
gutem Rechte erst hier ihre Stelle hätten erhalten können. Aber wir wollten
z. B. Aristophon nicht von seinem Bruder Polygnot trennen, nach welchem wir
die ganze Periode benannten. Wir wollten eben so wenig die Verbindung des
Pauson mit Polygnot und Dionysios lösen, wie uns dieselbe durch das Urtheil
des Aristoteles gegeben ist. Agatharch endlich kann denen beigezählt werden,
127 welche den Umschwung der vorliegenden Periode nicht nur vorbereitet, sondern
selbst mit herbeigeführt haben. Eben so schwankend ist die Begrenzung nach
der andern Seite hin. Wir werden später allerdings finden, dass die Maler-
schulen der folgenden Periode in ihrer Entwickelung sich scharf und bestimmt
von der Geschichte der hier behandelten Künstler trennen. Dabei aber dürfen
wir es doch nicht leugnen, dass ihre Anfänge einen solchen Gegensatz noch
keineswegs nothwendig hedingen. Soll sich also die ganze vorgeschlagene
Gliederung der Perioden rechtfertigen, so darf unser Blick nicht an vereinzelten
Thatsachen und Erscheinungen haften bleiben, sondern muss sich auf die Phasen
der allgemeinen Entwickelung nach ihren grösseren Massen richten.

Dass nun trotz einzelner Künstler, welche gewissermassen mitten inne
stehen, die Zeit der Kleinasiaten (so wollen wir sie der Kürze wegen nennen)
zu der des Polygnot im schärfsten und bestimmtesten Gegensatz steht, dar-
über wird uns kein Zweifel obwalten, wenn wir an die Erörterungen in dem
Rückblick auf die vorhergehende Periode zurückdenken. Dem Ethos der poly-
gnotischen Kunst tritt die gloria penicilli, die rein malerische, auf Illusion hin-
arbeitende Behandlung mit dem Anspruch auf eine überwiegende Geltung ent-
gegen. Die grosse historische Malerei, welche in der rein geistigen Auffassung
und Charakteristik ihren Schwerpunkt hat, wird verdrängt durch die auf der
Durchführung des Einzelnen beruhende Tafelmalerei. Was wir von dem Künstler
wissen, den wir an die Spitze dieser Periode gestellt haben, von Apollodor,
reicht gerade hin, uns diesen Gegensatz in vollster Reinheit deutlich zu machen.
Tritt nun derselbe bei den drei folgenden Künstlern, welche den Mittelpunkt
unserer Erörterungen bildeten, nicht mehr so stark in dieser Form in den Vor-
dergrund, so zeigen doch die Fortschritte, welche sich an ihre Namen knüpfen,
uns nur die weitere Entwickelung innerhalb dieses Gegensatzes nach verschie-
denen Richtungen hin. Denn nachdem einmal die gesammte Grundanschauung
verändert war, konnte sich die Umbildung nicht auf die äussere Behandlung der
Farbe und der Form beschränken, sondern auch die Darstellung des Ausdrucks
im Einzelnen wie die Motivirung ganzer Gestalten musste davon in sehr wesent-
128 liehen Punkten berührt werden. Wie sich hier die Bestrebungen des einen zu
denen des andern verhielten, darauf brauchen wir nicht nochmals im Einzelnen
 
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