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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0022

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12

Die Maler.

zu Kimon offenbaren sich dann ferner darin. dass er in der peisianakteischen
Halle malte, welche, wie Jahn1) vermuthet. von einem Schwager des Kimon
erbaut, von dem Letzteren dagegen mit Gemälden geschmückt und in Folge
dessen Poekile genannt wurde. Dort stellte Polygnot in dem Gemälde der
Zerstörung Ilions die Laodike, des Priamos Tochter, unter dem Bilde der Elpinike,
der Schwester des Kimon, dar -), worauf man in neuerer Zeit auch deshalb
Gewicht gelegt hat, weil man daraus den Zeitpunkt der Entstehung des Werkes
genauer bestimmen zu können meinte, wenn auch, wie mir scheint, ohne Grund.
Als nemlich bald nach der Unterjochung von Thasos Kimon angeklagt ward,
versuchte Elpinike den Perikles als einen der bedeutendsten unter seinen Gegnern
durch ihre persönliche Verwendung günstiger zu stimmen. Da soll nun Perikles,
wie um zu zeigen, dass die Reize der Fürsprecherin auf ihn keinen Eindruck
hervorbrächten, geantwortet haben: T'^avg: et, ygavc,: cJ 'EXtüvix??, 6q T^Xixavra
ÖiangdTTsa-Dcu jipay/tarce8). Elpinike war beim Tode ihres Vaters (Ol. 72, 4)
ein junges Mädchen (zop?;) und unverheiratet, konnte also zur Zeit ihrer Begeg-
nung mit Perikles etwa vierzig Jahre alt und immer noch eine schöne Frau
sein; und in der That scheint sie doch auch ihre Absicht nicht verfehlt zu
haben: Perikles gab seine, wie Sillig meint, „inurbane" Antwort lächelnd (jist-
ÖLciaag), und zeigte sich im Verlaufe des Processes wirklich milder, als zu er-
warten gewesen war. Dass hieraus jedoch die Zeit des polygnotischen Gemäldes
sich näher bestimmen lasse, scheint mir auch deshalb nicht möglich, weil wir
über die besondere Art der Darstellung des Portraits nicht genau unterrichtet
sind. Laodike wird allerdings einmal bei Homer4) slöoc, d^iari] genannt; nach
ihrer Stellung in der Familie des Priamos durfte sie jedoch der Künstler nicht
in zarter Jugendblüthe darstellen, sondern hatte volle Freiheit, sie selbst dem
Charakter einer Matrone nahe zu bringen. Ein Hauptzweck des Künstlers war
17 aber gewiss immer der, dem Bruder der Elpinike, seinem Beschützer, eine Huldi-
gung darzubringen. Selbst, ob wir es mit einer andern Nachricht bei Plutarch
über Elpinike: ttqoc, TIol.vyvaTov k'S,cqtaoTBlv. sehr genau zu nehmen haben,
lässt sich gerade deshalb bezweifeln, weil diese Sage von der Art ist, dass sie
eben nur dem gemalten Portrait ihre Entstehung verdanken konnte.

In die Zeit gegen Ol. 80 gehört endlich auch ein Gemälde des Polygnot
in der Vorhalle des Tempels der Athene Areia zu Plataeae5). Denn dieser
Tempel war aus der Beute der Perserkriege errichtet und Phidias machte für
denselben das Götterbild. — Während nun so alle einzelnen Bestimmungen
etwa in dem Zeitraum von Ol. 75—80 zusammentreffen, könnte es nach den
Gemälden, welche Polygnot in einem mit den Propylaeen zusammenhängenden
Gebäude ausführte0), den Anschein gewinnen, als ob der Künstler noch bis Ol.
87, 1, dem Jahre der Vollendung der Propylaeen, gelebt habe. An sich wäre
dies freilich nicht unmöglich, doch müsste es immer auffallen, dass aus der
ganzen Periode der perikleischen Staatsverwaltung sonst kein einziges Werk
des Polygnot angeführt wird. Wollte man freilich annehmen, jene Gemälde
seien nicht Wand- sondern Tafelmalereien gewesen, so könnte man sagen, %dass

i) Arcli. Zeit. 1847, S. 175. "-) Plut. Cira. 4. ») Flut. Ohm 14. •») II. III. 124.
B) Paus. IX, 4, 2. c) Paus. I, 22, 6.
 
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