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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0023

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II. Polygnotos und seine Zeitgenossen.

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sie erst nach des Künstlers Tode an ihren späteren Aufstellungsort gekommen
seien. Da ich jedoch aus später zu entwickelnden Gründen diese Ansicht nicht
theilen kann, so bleibt allerdings für jetzt nur die an Ort und Stelle näher zu
prüfende Vermuthung übrig, dass jene Gemäldegallerie schon vor dem Bau der
eigentlichen Propylaeen errichtet und erst später mit diesen in architektonische
Verbindung gesetzt worden sei.

Unter seinen Werken verdienen die erste Stelle:

Die Gemälde in der L es che der Knidier zu Delphi, darstellend
die Einnahme llions und die Unterwelt. Sie scheinen schon im Alterthume
unter allen Werken des Polygnot das grösste Ansehen genossen zu haben. Pli-
nius freilich erwähnt sie nur mit einem Worte: Hic Delphis aedem pinxit (35,
59), und die Anerkennung, welche der Künstler schon bei seinen Zeitgenossen
fand, spricht sich bei ihm nur in der weiteren Nachricht aus, dass die Amphi- 18
ktyonen dem Polygnot freies Gastrecht ertheilten. Für den Ruhm im Allgemeinen
zeugen Plutarch 1), Philostrat2), der Scholiast zu Plato's Gorgias 3). Einer Figur,
der Kassandra, gedenkt Lucian4) als besonders meisterhaft. Pausanias aber
widmet der Beschreibung der beiden Gemälde sieben ganze Kapitel: X, 25—31,
und dadurch sind sie für die Kenntniss der älteren Malerei das unbedingt wich-
tigste Werk geworden. Nachdem schon im Anfange dieses Jahrhunderts durch
die künstlerische Reproduction der Gebrüder Riepenhausen die Aufmerksamkeit
von Neuem auf sie gelenkt worden war, haben sie namentlich in den letzten
Jahren zu den vielfältigsten Erörterungen Anlass gegeben 5). Auf dieselben im
Einzelnen einzugehen, ist natürlich hier nicht der Ort. Nur bemerke ich schon
liier, dass zum richtigen Verständniss dessen, was weiter unten aus den del-
phischen Gemälden über den künstlerischen Charakter des Polygnot gefolgert
werden soll, die Kenntniss der Welckerschen Schrift vorausgesetzt werden muss.

In Athen, wo Polygnot, wie bereits bemerkt wurde, einen wesentlichen
Einfluss auf die künstlerischen Unternehmungen des Kimon ausgeübt zu haben
scheint, knüpft sich sein Ruhm an mehrere ausgedehnte Werke, in deren Aus-
führung er sich indessen mit mehreren seiner Zeitgenossen theilte. Des Zusam-
menhanges wegen wird es gut sein, dieselben an dieser Stelle ausführlicher zu
besprechen, und bei seinen Mitarbeitern hierauf kurz zu verweisen.

Die Gemälde in der Poikile. Die ausführlichsten, aber in vieler
Beziehung freilich immer nur spärlichen Nachrichten über dieselben giebt uns
Pausanias I, 15. Er sah in der Halle vier Gemälde. Diese waren:

1. Die Schlacht zwischen den Athenern und Lakedämoniern bei Oenoü in
Argolis;

2. Der Kampf der Athener unter Führung des Theseus gegen die Amazonen;

3. Die Einnahme Troja's und der Rath der Könige über den Frevel des 19
Aias gegen Kassandra;

4. Die Schlacht bei Marathon.

i) de def. or. c. (>. 2) V. A. VI, 11. 3) p. 101 ed. Kuhnken. i) Imagg. 7. 5) 0. Jahn:
Die Gemälde des Polygnot u. s. w. Kiel 1841 (aus den Kieler philologischen Studien).
Welcher: Die Compositum der polygnotischen Gemälde. Berlin 1848 (aus den Schriften
der Berliner Akademie). K.F.Hermann: Epikritische Betrachtungen über d. pol. Gemälde.
Göttiiigen 1849. Overbeck: Antepikritiselie Betrachtungen u. s. w. im Rh. Mus. N. F. VII,
S. 419 flgd.
 
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