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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0107

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IV. Die Maler vom Ende des peloponn. Krieges bis zum Tode Alexanders d. Gr. 97

des Melanthios eine nicht gering anzuschlagende Bedeutung, insofern er uns
zeigt, dass die Rücksichten auf wissenschaftliche Durchbildung bei diesem Meister 14S
nicht zu einer Vernachlässigung der rein künstlerischen Forderungen führten,
sondern dass die ratio auch in dieser Beziehung sich als bewährte Führerin
offenbarte.

Ganz besonders gross muss aber sein Verdienst in der Anordnung (dis-
Positio) gewesen sein, da hierin selbst Apelles von ihm übertroffen zu werden
bekanntei). Auch dieses Lob steht mit allem, was wir über die Bildung des
Melanthios wie seines Lehrers wissen, im besten Einklänge. Die Vorzüge der
Farbe bei Zeuxis, die Feinheiten des Parrhasios, ja selbst die Grazie des Apelles
setzen das Verdienst einer kunstmässigen Anordnung noch nicht mit Nothwendig-
keit voraus; ja die Erfahrung lehrt, dass sie unter ähnlichen Verhältnissen öfters
gemangelt hat. Sie beruht in ihren ersten und hauptsächlichsten Gliederungen
auf den Principien des Gleichgewichts; und indem sie deshalb einen ausge-
bildeten Sinn für die Verhältnisse räumlicher Grössen voraussetzt, werden wir
uns nicht wundern dürfen, sie gerade bei einem Künstler derjenigen Schule in
höchster Vollendung zu finden, welche auf eine mathematische Bildung den
nachdrücklichsten Werth legte.

Die nahe Verwandtschaft des Schülers mit dem Lehrer scheint sich end-
lich noch durch die Stellung des ersteren im Zusammenhange der Schule aus-
zusprechen, wie sie in einer Nachricht des Plutarch2) erscheint. Denn während
bei Plinius Apelles ein Schüler des Pamphilos genannt wird, ist dort zuerst
von beiden Repräsentanten dieser Schule, Pamphilos und Melanthios, die
Rede; und gleich darauf heisst es von einem Gemälde: es sei von Melanthios
und seinen Schülern (vno nävrav räv tieqI tov MelavS-ov) gemalt worden und
auch Apelles habe daran Hand angelegt. Alle diese Angaben vereinigen sich
auf das Beste durch die Annahme, dass Melanthios zuerst Schüler, dann Ge-
nosse und schliesslich der Nachfolger des Pamphilos gewesen sei.

Von seinen Werken, deren mehrere durch Arat in den Besitz der Ptole-
maeer gelangten3), kennen wir nur ein einziges, das eben erwähnte Schulbild:
Aristratos, Tyrann von Sikyon zur Zeit des Philipp von Makedonien 4), stehend 144
neben dem Wagen der Siegesgöttin. Bei der Zerstörung der übrigen Tyrannen-
bilder durch Arat drohte diesem ein gleiches Geschick, doch ward dasselbe
wenigstens zum Theil durch den Maler Nealkes abgewendet, der sich nur dazu
verstehen musste, die Figur des Aristratos auszulöschen. An ihrer Stelle y>oi-
vix« fiovov hsygaipev, «Mo tie ovökv höl^aB nagaßalslv. Man wollte dies
übersetzen: er habe eine Palme an die Stelle der Figur gemalt. Aber was soll
dann der Zusatz bedeuten: er habe nicht gewagt, etwas anderes hinzuzufügen?
Sicherlich that er nichts, als dass er die Figur mit rother Farbe überstrich und
also gar keinen künstlerischen Ersatz für dieselbe hinzufügte. Die Füsse des
Aristratos soll man noch später hinter dem Wagen haben bemerken können.
Ueber die Angabe des Plinius dass er, wie Apelles, Aetion, Nikomachos, nur
mit vier Farben gemalt habe, wird unter Apelles gesprochen werden.

*) Plin. 35, 80. Dass der Name des Melanthios mit Recht an die Stelle des un-
bekannten Amphion gesetzt ist, steht jetzt durch den Cod. Bamb. fest. 2j Arat. 13. 3) Plut
Arat. 12. *) Demostb. de coron. § 48 u. 295. 5) 35, 50.

Brunn, Geschichte der griechischen Künstler. II. 2. Aufl. 7
 
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