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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0105

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I V. Die Maler vom Ende des peloponn. Krieges bis zum Tode Alexanders d. Gr. 95

unmöglich die übrigen Gebiete der Kunst davon unberührt bleiben konnten,
sondern seine allgemeinen Grundanschauungen fast mit Nothwendigkeit auf
dieselben übergehen mussten. Seine Eigentümlichkeit aber vermochten wir 140
nicht sowohl in einer kühnen Genialität zu finden, als in dem Streben nach
allseitiger vollendeter Durchbildung, wie sie nur das Resultat gründlicher, mit
dem klaren Bewusstsein ihres Zweckes unternommener Studien sein konnte.
Dadurch ward er der erste, welcher seiner Kunst eine theoretische Grundlage
zu geben versuchte und in seinem Kanon mit dem vollsten Erfolge gab. Die
Feststellung möglichst allgemein gültiger Proportionen des menschlichen Körpers,
welche ihm verdankt wurde, beruhte aber auf der Untersuchung von Raum- und
Zahlenverhältnissen; und wenn daher Pamphilos das Studium der Arithmetik
und Geometrie als unentbehrlich für den Maler hinstellt, so ist er im Princip
durchaus nur der Nachfolger des Polyklet.

Dennoch aber bleibt ihm immer noch ein bedeutendes selbständiges Ver-
dienst, indem bei der Uebertragung eines bereits in einer Kunstgattung zur
Anwendung gekommenen Princips auf ein davon verschiedenes Gebiet sich auch
nothwendig andere Anforderungen geltend machen, deren Befriedigung zum
Theil auf durchaus neuen Gesichtspunkten beruht. Es genügt, einfach auf den
Gegensatz zwischen plastischer und malerischer Darstellung hinzuweisen, um
anzudeuten, wie Pamphilos, wenngleich von Polyklet angeregt und von durch-
aus verwandten geistigen Grundanschauungen ausgehend, doch in der Aus-
bildung und Anwendung seiner Theorien von seinem Vorbilde unabhängig sein
konnte, ja in vielen Beziehungen sein musste. Wie dem auch sei, immer bleibt
die Stellung des Pamphilos in der Malerei der des Polyklet in der Plastik
durchaus analog. Wie es das Verdienst des letztern war, die höchste Reinheit
der Form erstrebt und deren Besitz der Plastik auf lange Zeit gesichert zu
haben, so gebührt dem Pamphilos derselbe Ruhm für die Malerei. Es ist äusserst
bezeichnend, wenn Plutarch *) von dem Ruhme der sikyonischen xpqoroyQcupla
spricht, der tüchtigen, soliden Malerei, in welcher allein das Schöne unverdorben
zu finden sei. Denn eben darin, nicht blos selbst Tüchtiges hervorgebracht,
sondern auch andern die Mittel dargeboten zu haben, Aehnliches zu leisten,
die reine Schönheit zu erhalten und zu bewahren, darin müssen wir das höchste 141
und das bleibendste Verdienst des Pamphilos erkennen. Dies wurde aber nur
möglich durch eine mit grösstem Eifer gepflegte Lehrthätigkeit. Zwar ist uns
nicht eine so grosse Zahl seiner Schüler bekannt geworden wie bei Polyklet,
aber der Ruhm, der sich an die Namen des Melanthios, Pausias und Apelles
knüpft, wiegt die grössere Zahl vollkommen auf; und namentlich dass Apelles
nicht etwa mehr als Anfänger, sondern um seine künstlerische Bildung zu voll-
enden, sich von Kleinasien aus in die Schule des Pamphilos begab, bietet uns
für die VortrefTlichkeit derselben das vollgültigste Zeugniss.

Ueber den Umfang und die Methode seines Unterrichts fehlen uns freilich
alle eingehenden Nachrichten. Denn, was wir aus des Plinius Angabe über
den von ihm verlangten Lohn eines Talents, resp. 500 Denare für jedes Jahr,
folgern zu müssen scheinen, dass er zwölf Jahre zur Bildung eines Schülers

!) Arat. 13.
 
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