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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0104

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Die Maler.

gewiss nur in der sonstigen persönlichen Bedeutung und Befähigung jener
Künstler seinen Grund. Aber die Eigenschaften, worauf ihre Vorzüge beruhten,
die Feinheit des Blickes, die Schärfe der Beobachtung, die Leichtigkeit der Auf-
fassung, so sehr sie auch einer Ausbildung fähig, ja bedürftig scheinen mögen,
sind doch mehr ein freies Geschenk der Natur, als eine auf strengem Studium
beruhende Tüchtigkeit; und der Versuch, ohne diese Begabung die Erfolge der
Meister zu erzielen, wird daher auf Seite der Nachahmer nothwendig zur Ober-
flächlichkeit, die in Aeusserlichkeiten schon das Wesen erkannt zu haben glaubt,
oder zu Uebertreibungen führen, welche gerade das eigenthümliche, auf feiner
Begrenzung beruhende Verdienst des Vorbildes durchaus aufheben. Wir dürfen
hieraus den Schluss ziehen, dass es nicht eine zufällige Lücke in unserer Ueber-
lieferung ist, wenn wir nirgends erfahren, dass Schüler des Zeuxis oder Par-
rhasios zu Ruhm und Ansehen gelangt seien: denn eben das, was die Meister
auszeichnete, war nicht lehrbar, und ihr Einfluss konnte daher nur ein mittel-
barer oder bedingter sein.

Indem wir hier diese Verhältnisse bestimmter ins Auge fassen, wird die
Bedeutung des Pamphilos nur in ein um so helleres Licht treten. Seine Stel-
lung erscheint jetzt wie durch den Gegensatz hervorgerufen, als die Wirkung
139 einer heilsamen Reaction. Denn es bedurfte vor Allem weniger der glänzenden
Beispiele, als eines Mittels, der Entwickelung jener verderblichen Keime Einhalt
zu thun. Ein solches konnte aber einzig in der systematischen Begründung
desjenigen Theiles der Kunstübung gefunden werden, der auf einem durch ratio-
nelles Denken gefundenen Wissen beruht. Denn nur dieses ist von der spe-
ciellen künstlerischen Befähigung des Einzelnen unabhängig und lässt sich als
Kunstlehre in weiteren Kreisen verbreiten, um die an sich freilich höhere Thätig-
keit des künstlerischen Schaffens zu läutern und zu regeln. Wir mögen daher
den Werth der eigenen Schöpfungen des Pamphilos hoch oder gering anschlagen,
durch die Begründung einer wissenschaftlichen Kunstlehre gewinnt er einen
Einfluss, der sich sogar über das Gebiet der Malerei in deren fernerer Ent-
wickelung hinaus auf die allgemeinen Bildungsverhältnisse Griechenlands er-
streckt. Denn selbst zur Wissenschaft erhoben ward die Malerei auch wieder
ein Bildungsmittel, und dieser Eigenschaft verdankt sie ihre Aufnahme unter
die eines Freien würdigen und bei der Erziehung nicht zu vernachlässigenden
Künste, die durch Pamphilos zuerst in Sikyon, dann auch im übrigen Griechen-
land bewirkt wurde. Wichtiger für unsern Zweck ist jedoch seine Stellung im
Kreise seiner Kunstgenossen. Um uns aber dieselbe deutlich zu machen, kann
wohl nichts geeigneter sein, als eine Vergleichung des Pamphilos mitPolyklet;
ja es erscheint sogar nothwendig, auf diesen als sein bestimmendes Vorbild und
Muster zurückzugehen. Denn unmöglich ist es ein blosser Zufall, -wenn der
eine auf dem Gebiete der Malerei ganz dieselben Principien und durchaus mit
demselben Erfolge durchfuhrt, welche der andere auf dem Gebiete der Plastik
bereits zur Geltung gebracht hatte, um so weniger, als beide, sei es durch Geburt,
sei es durch ihre ganze Bildung, einem und demselben Mittelpunkte der Kunst-
übung, nemlich Sikyon, angehören. Damals aber, als Pamphilos dort seine Aus-
bildung erhielt, erscheint der Einfluss des Polyklet in der Bildhauerschule von
Sikyon und Argos als ein so mächtiger und durchaus ausschliesslicher, dass
 
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