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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0109

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IV. Die Maler vom Ende des pcloponn. Krieges bis zum Tode Alexanders d. Gr. 99

Stelle verdient hier zunächst nur eine Nachricht des Pausanias1) Berücksich-
tigung :

„Nahe bei dem Tempel des Äsklepios zu Epidauros ist ein sehenswerthes 146
rundes Gebäude, Tholos, die Kuppel genannt; darin von Pausias Hand gemalt
Eros, wie er Pfeile und Bogen weggeworfen und statt ihrer die Leier ergriffen
hat. Daselbst befindet sich auch ein Bild der Methe, ebenfalls ein Werk des
Pausias, wie sie aus einer gläsernen Schale trinkt. Man kann aber auch in
dem Bilde erkennen, dass die Schale von Glas ist, und durch sie hindurch
das Gesicht des Weibes."

Aus diesen verschiedenartigen Nachrichten wähle ich zunächst eine Notiz
aus: dass Pausias zuerst Decken gemalt habe, und zwar gewölbte Decken.
Denn auf diesen Zusatz müssen wir den Nachdruck legen, da ein gewöhnliches
Gemälde auf eine flache Decke anstatt auf eine Wand gemalt keine besondere
Erwähnung verdienen würde. Dagegen bietet die Zeichnung auf der gebogenen
oder gewölbten Fläche eine Menge von Schwierigkeiten besonderer Art dar.
Die Richtigkeit der Zeichnung überhaupt beruht darauf, dass jeder Punkt in
einem Bilde für den Beschauer in dasselbe Verhältniss zur Horizontlinie und
der den Augenpunkt schneidenden Verticale gesetzt werde, in welchem er dem
Auge in der Natur erscheint. Dieses zu erreichen'ist nun auf der ebenen Fläche
der Wand oder Tafel deshalb leichter, weil die beiden Grundlinien, Horizont
und Verticale, in die Ebene des Bildes fallen und daher das Verhältniss jedes
Punktes zu diesen dasselbe bleibt, wie es in der Natur auf unser Auge wirkt.
Ganz anders verhält sich dies bei der Fläche eines Gewölbes. Hier liegen die
Grundlinien zum Theil ausserhalb der Fläche; und in Folge dessen müssen alle
m derselben darzustellenden Punkte aus ihrem natürlichen Verhältnisse zu jenen
Linien in ein rein constructives übergehen. Hier tritt also der Künstler auf
ein Gebiet, auf welchem die blosse Beobachtung der Natur und ihrer Formen
nicht mehr ausreicht, sondern eine bestimmte Kenntniss optischer Gesetze er-
heischt wird. Eine Analogie können uns schon die Bilder mancher Vasen ge-
währen, bei welchen die auf einer starken Biegung ihres Körpers aufgetragenen
Eiguren in genauer Durchzeichnung ausser aller Proportion zu erscheinen pflegen,
während sie auf der Vase selbst einen durchaus correcten Eindruck machen.
Hier genügt übrigens, um das Richtige zu treffen, schon ein gewisser durch 147
die blosse Uebung erworbener Takt, während dem Maler einer Decke aus dop-
peltem Grunde eine bestimmte Kenntniss nothwendig ist: zuerst wegen der
Grösse, welche sich nicht mit dem ungefähren Gesammteindruck des Ganzen
und dem geringen Detail eines Vasenbildes begnügen darf, sondern verlangt,
dass alle einzelnen Theile zu einander in das richtige Verhältniss gesetzt werden.
Noch wichtiger aber ist die Verschiedenheit des Standpunktes, welchen der
Künstler während der Arbeit und der Beschauer nach der Vollendung einnimmt.
Rei dem Vasenbilde ist er für beide derselbe; bei dem Deckenbilde muss fast
alles, was vom Standpunkte des einen correct erscheint, von dem des andern
den Eindruck der Incorrectheit machen, gerade wie von den beiden Statuen des
Alkamenes und Phidias erzählt wird, dass die eine durch eine hohe Aufstellung

II, 273.
 
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