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ÜBER DIE BEDEUTUNG DER SKULPTUREN AN DEN MEDICEER-

GRABDENKMÄLERN.

OTTVATER in apokalyptischem Geist zur Seite den Thron Savo-

narolas und Engel sollte nach unserer oben behandelten Zeich-

nung ein Mediceergrabmal bekrönen. Das weist also auf eine r e 1 i -
g i ö s e T e n d e n z d e r G r a b d e n k m ä 1 e r, die man auf Grund
des heutigen Zustandes der Grabdenkmäler am allerwenigsten vermutete.
Auch jene Skizze des britischen Museums (Abb. Taf. I) läßt in dem
Sockelfelde rechts neben dein Sarkophag eine sitzende Figur erkennen,
durch deren rechte Hand an der Seite herab eine vertikale Linie läuft,
nach der die linke hinüber greift. Was diese Figur bedeuten soll, ist zwar
nicht mit Sicherheit zu sagen, doch läßt die Vergrößerung die Vermutung
aufkonnnen, daß hier die Fides dargestellt war, der dann auf der anderen
Seite zweifellos die Spes zu entsprechen hätte, dieselben Figuren, die wir
noch in einer Atelierzeichnung Michelangelos finden werden (Abb. 6).
Auch die Anbringung der Figuren des Himmels und der Erde wären im
selben Sinne namhaft zu machen, um so mehr, als sie ja auch am Julius-
grabmal die Verbindung zwischen dem Toten und der Gottheit herstellen.
Man sieht also, daß eine ganze Reihe von Umständen dafiir sprechen, daß an
diesem Grabmal, welches man so gerne als eine der charakteristischen
und reinsten Blüten des Humanismus bezeichnet, die traditionelle himm-
lische Apotheose, weit mehr als wir bisher annahmen, zum Ausdruck
gelangen sollte. Wir kommen damit iiberraschender Weise zur Bestätigung
der auf ganz anderem Wege gewonnenen Resultate von Professor Brockhaus,1
der die bisher stets unerklärte Gruppierung der Figuren von Tag und
Nacht, Morgen und Abend mit den «Flußgöttern» auf den E i n f 1 u ß

Sitzung des kunsth. Institutes im April 1906 u. Beilage zur Allg'em. Zeitung. 6. Juli. 1906.
 
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