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Deutsche Burgen.
Vortrag, gehalten für die Deutsche Welle am 6. Dezember 19Z2,
von Professor Bodo Ebhardt, Architekt, Geheimer Hofbaurat, Marksburg ob Braubach am Rhein.
Vorbemerkung: Für einen Rundfunkvortrag war die Aufgabe gestellt, in 25 Minuten das Wichtigste über Sinn und Zweck der deutschen
Burgen zu sagen. Das Ergebnis mußten einige Verallgemeinerungen sein, denn keine Art von Bauwerken ist stets so durchaus eigenartig
und von Fall zu Fall grundverschieden, wie es die deutschen Burgen sind. Trotzdem mögen die kurzen Ausführungen hier Platz finden.
deutsche Burgen! — Für jeden Deutschen ist schon das Wort voll Zauberklang und Romantik.
«Romantisch ragen die Burgen und Ruinen auf, aus Dunst und Wolken, von jähem Fels, den ihre Grund-
'mauern umklammern.
Innig sind dort Menschenwerk und Natur verwachsen, selbst die Trümmer der Ruinen scheinen noch
! unerschütterlich wie die Felsen selbst. Und die bewohnten Burgen streben hoch empor, in Dach und Fach
wohlerhalten, mit der Wucht ihrer ernsten Baumassen aus der kleinen alltäglich bürgerlichen Enge ragend.
Dazu schwebt ein Hauch unvergänglicher Sagen und Erinnerungen um die alten Mauern, — Sagen von eisernen
Herreit, bösen Raubrittern und wilden Kämpfern und zugleich ein Widerhall zartester Minnelieder.
Aber anderes spiegelt uns der Traum vor, anderes bezeugt die Wirklichkeit. Nicht einer romantischen Laune
kampflüsterner Recken verdanken diese Mauern ihre Aufrichtung, — nicht wegen des herrlichen weiten Umblickes
über die gesegneten Gaue des Vaterlandes wurde der hochragende Fels als Bauplatz gewählt —, nein, nüchterne
kriegerische, strategische Gründe führten zur Wahl des Platzes und zu der hochstrebenden Bauform.
Diese wirklichen Gründe zu klären, hat sich die Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen seit 1899 — seit
33 Jahren — zur Aufgabe gemacht. Damit schmälert sie nicht den Ruhm der Burgen. Denn gerade die nüchterne
Erkenntnis läßt die Leistung ihrer Erbauer größer erscheinen als die schönsten romantischen Bilder. Versuchen wir
auch heute, durch einen kurzen Überblick zu dieser Erkenntnis beizutragen.
Zunächst ein Wort zur Verteilung der etwa 10000 deutschen Burgen über das deutsche Sprachgebiet.
Da alle Landesteile Schutz und Beherrschung erforderten, stehen die Burgen nicht nur auf stolzer Höhe, sondern
ebenso oft in flacher Ebene, dort geschützt durch schroff abfallende Felsenhänge, hier geborgen in der Umschlingung
zahlreicher Seen, Sümpfe und Wassergräben.
Überall galt es wichtige Heeres- und Handelsstraßen zu sichern und offene Grenzen zu verteidigen, die weiten
fruchttragenden Ebenen Westfalens und des Niederrheins zu beherrschen, oder volkreiche Städte, wie Nürnberg oder
Würzburg, Landshut oder Halle, durch ein Kernwerk zu schützen oder auch im Zaume zu halten.
Von stets wechselnden Sonderausgaben also hing die Wahl jedes Bauplatzes ab.
Die alte Grenze gegen Frankreich sperrte, hinter dem vorgeschobenen Mömpelgard an der Belforter Klause,
eine Kette prachtvoller Quaderbauten auf der Höhe des Vogesenkammes, von Landskron und Mörsburg bis zu den
Rappoldsteiner Schlössern, über die Hohkönigsburg und Burg Andlau bis zur mächtigen Ruine Girbaden und bis
zum Fleckenstein bei Weißenburg.
Daran schlossen sich die Felsenburgen der Pfalz und die Fülle der Wasserburgen des Niederrheins und durch
Holland bis an die Meeresküste.
Im Süden waren alle Alpenpässe mit Burgen besetzt, wer erinnert sich in diesem Sinne nicht der Brenner-
straße? Gegen Süd osten schützten die Riesenburgen Riegersburg, Hochosterwitz, Graz und hundert andere gegen
die Türken, und im Osten ragen noch heute die Ordensburgen empor: Marienburg, Neidenburg, Allenstein, Marien-
werder, Heilsberg, Frauenberg und viele andere, die von jahrhundertelangen Kämpfen mit den Polen zeugen.
Selbst Schleswig und Holstein waren mit Burgen, z. B. denen der Rantzau, übersät, der Burgberg von Säge-
berg ist noch heute berühmt.
Im Innern Deutschlands sind Bergpässe, Straßen, Landesgrenzen usw. ebenso maßgebend für die Errichtung
der Burgen gewesen.
Betrachten wir nun die einzelne Burg:
Ansturm und Verteidigung geboten im Mittelalter nicht über weittragende Geschütze oder Schleudermaschinen,
die den Gegner von weither aus gesicherter Ferne angreifen oder abweisen konnten.
Bor der Erfindung der Pulvergeschütze, die freilich schon lange vor Berthold Schwartz verwendet wurden, war
die Verteidigung in erster Linie auf den Wurf von oben nach unten angewiesen, der den stürmenden Feind um so
schwerer traf, je größer die Höhe war, von der der Stein niedersauste.
Daher die Höhe der Türme, sowohl des Bergfriedes wie der Mauer- und Tortürme, deren höchstes Geschoß
wohl jederzeit Vorräte von rohen Steinbrocken barg.
Konnte aber der Belagerer die mächtigen Mauern nicht von der Ferne waagrecht angreifend erschüttern, —
konnten Rammbär und schwingende Stoßstange dem Fuße der Mauern und Türme nicht nähegebracht werden, so
blieb den Belagerern nur die Sturmleiter, um die Mauern zu ersteigen, und die Schärfe des Schwertes, oder die
Wucht des Streitkolbens, um im Kampfe von Mann zu Mann die Mauerkrone zu erringen.
Deutsche Burgen.
Vortrag, gehalten für die Deutsche Welle am 6. Dezember 19Z2,
von Professor Bodo Ebhardt, Architekt, Geheimer Hofbaurat, Marksburg ob Braubach am Rhein.
Vorbemerkung: Für einen Rundfunkvortrag war die Aufgabe gestellt, in 25 Minuten das Wichtigste über Sinn und Zweck der deutschen
Burgen zu sagen. Das Ergebnis mußten einige Verallgemeinerungen sein, denn keine Art von Bauwerken ist stets so durchaus eigenartig
und von Fall zu Fall grundverschieden, wie es die deutschen Burgen sind. Trotzdem mögen die kurzen Ausführungen hier Platz finden.
deutsche Burgen! — Für jeden Deutschen ist schon das Wort voll Zauberklang und Romantik.
«Romantisch ragen die Burgen und Ruinen auf, aus Dunst und Wolken, von jähem Fels, den ihre Grund-
'mauern umklammern.
Innig sind dort Menschenwerk und Natur verwachsen, selbst die Trümmer der Ruinen scheinen noch
! unerschütterlich wie die Felsen selbst. Und die bewohnten Burgen streben hoch empor, in Dach und Fach
wohlerhalten, mit der Wucht ihrer ernsten Baumassen aus der kleinen alltäglich bürgerlichen Enge ragend.
Dazu schwebt ein Hauch unvergänglicher Sagen und Erinnerungen um die alten Mauern, — Sagen von eisernen
Herreit, bösen Raubrittern und wilden Kämpfern und zugleich ein Widerhall zartester Minnelieder.
Aber anderes spiegelt uns der Traum vor, anderes bezeugt die Wirklichkeit. Nicht einer romantischen Laune
kampflüsterner Recken verdanken diese Mauern ihre Aufrichtung, — nicht wegen des herrlichen weiten Umblickes
über die gesegneten Gaue des Vaterlandes wurde der hochragende Fels als Bauplatz gewählt —, nein, nüchterne
kriegerische, strategische Gründe führten zur Wahl des Platzes und zu der hochstrebenden Bauform.
Diese wirklichen Gründe zu klären, hat sich die Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen seit 1899 — seit
33 Jahren — zur Aufgabe gemacht. Damit schmälert sie nicht den Ruhm der Burgen. Denn gerade die nüchterne
Erkenntnis läßt die Leistung ihrer Erbauer größer erscheinen als die schönsten romantischen Bilder. Versuchen wir
auch heute, durch einen kurzen Überblick zu dieser Erkenntnis beizutragen.
Zunächst ein Wort zur Verteilung der etwa 10000 deutschen Burgen über das deutsche Sprachgebiet.
Da alle Landesteile Schutz und Beherrschung erforderten, stehen die Burgen nicht nur auf stolzer Höhe, sondern
ebenso oft in flacher Ebene, dort geschützt durch schroff abfallende Felsenhänge, hier geborgen in der Umschlingung
zahlreicher Seen, Sümpfe und Wassergräben.
Überall galt es wichtige Heeres- und Handelsstraßen zu sichern und offene Grenzen zu verteidigen, die weiten
fruchttragenden Ebenen Westfalens und des Niederrheins zu beherrschen, oder volkreiche Städte, wie Nürnberg oder
Würzburg, Landshut oder Halle, durch ein Kernwerk zu schützen oder auch im Zaume zu halten.
Von stets wechselnden Sonderausgaben also hing die Wahl jedes Bauplatzes ab.
Die alte Grenze gegen Frankreich sperrte, hinter dem vorgeschobenen Mömpelgard an der Belforter Klause,
eine Kette prachtvoller Quaderbauten auf der Höhe des Vogesenkammes, von Landskron und Mörsburg bis zu den
Rappoldsteiner Schlössern, über die Hohkönigsburg und Burg Andlau bis zur mächtigen Ruine Girbaden und bis
zum Fleckenstein bei Weißenburg.
Daran schlossen sich die Felsenburgen der Pfalz und die Fülle der Wasserburgen des Niederrheins und durch
Holland bis an die Meeresküste.
Im Süden waren alle Alpenpässe mit Burgen besetzt, wer erinnert sich in diesem Sinne nicht der Brenner-
straße? Gegen Süd osten schützten die Riesenburgen Riegersburg, Hochosterwitz, Graz und hundert andere gegen
die Türken, und im Osten ragen noch heute die Ordensburgen empor: Marienburg, Neidenburg, Allenstein, Marien-
werder, Heilsberg, Frauenberg und viele andere, die von jahrhundertelangen Kämpfen mit den Polen zeugen.
Selbst Schleswig und Holstein waren mit Burgen, z. B. denen der Rantzau, übersät, der Burgberg von Säge-
berg ist noch heute berühmt.
Im Innern Deutschlands sind Bergpässe, Straßen, Landesgrenzen usw. ebenso maßgebend für die Errichtung
der Burgen gewesen.
Betrachten wir nun die einzelne Burg:
Ansturm und Verteidigung geboten im Mittelalter nicht über weittragende Geschütze oder Schleudermaschinen,
die den Gegner von weither aus gesicherter Ferne angreifen oder abweisen konnten.
Bor der Erfindung der Pulvergeschütze, die freilich schon lange vor Berthold Schwartz verwendet wurden, war
die Verteidigung in erster Linie auf den Wurf von oben nach unten angewiesen, der den stürmenden Feind um so
schwerer traf, je größer die Höhe war, von der der Stein niedersauste.
Daher die Höhe der Türme, sowohl des Bergfriedes wie der Mauer- und Tortürme, deren höchstes Geschoß
wohl jederzeit Vorräte von rohen Steinbrocken barg.
Konnte aber der Belagerer die mächtigen Mauern nicht von der Ferne waagrecht angreifend erschüttern, —
konnten Rammbär und schwingende Stoßstange dem Fuße der Mauern und Türme nicht nähegebracht werden, so
blieb den Belagerern nur die Sturmleiter, um die Mauern zu ersteigen, und die Schärfe des Schwertes, oder die
Wucht des Streitkolbens, um im Kampfe von Mann zu Mann die Mauerkrone zu erringen.