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Herrmann, Paul
Programm zum Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin (Band 48): Das Gräberfeld von Marion auf Cypern — Berlin, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.731#0045
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die kleine trauernde Figur auf der Rückenlehne des Throns. Wir fühlen hier schon
das leise Anklingen eines Tons, der in den späteren Figuren zur allein herrschenden
Stimmung wird. Es ist das Gefühl des Schmerzes und der Trauer um den Verlust eines
geliebten Todten, der auch durch den Gedanken nicht ersetzt werden kann, dass der-
selbe mit der Gottheit eins oder selbst zum Gott geworden ist. Das Büd des Verstorbenen
selbst bleibt von dieser Empfindung unberührt, aber ganz unterdrücken wollte es der
Künstler nicht, und so grill' er zu dem Mittel, eine dritte Person zur Trägerin dieses
Gefühls zu machen.

Was hier nur leise angedeutet ist und als accessorischer Thcil zur Ilauptdarsteliung
hinzukommt, das ist bei den jüngeren Statuen zur allein mächtigen Empfindung ge-
worden, welche die ganze Gestalt durchdringt. Auch hier haben wir gewiss das Bild
der Verstorbenen selbst zu erkennen, aber wenn bei den Figuren der vorigen Reihe ein
Hinweis auf das Jenseits, auf die selige. Vereinigung mit der Gottheit den Inhalt der
Darstellung bildete, so waltet hier vielmehr noch ein Zusammenhang mit dem Diesseits
ob. Mit Schmerz hat sich die Geschiedene von der „schönen, freundlichen Gewohnheit
des Daseins und Wirkens- iosreissen müsset), Trauer erfüllt sie, dass der Zusammenhang
mit Allem, was ihr hier lieb und theuer war gelöst, der Faden durchschnitten ist. — Die
sofort in die Augen springende Verwandtschaft des hier dargestellten Motivs mit dem
bekannten Typus der sogen. ,,Penelopeiigureui: ist für die Erklärung der letzteren als
Grabstatuen bedeutsam u).

Neben diesen thronenden weiblichen Grabstatuen begegnet uns ein nicht minder
häufiger Typus von Terrakotten, welche in den Grö'ssenverhältnissen ungefähr mit jenen
übereinstimmend gewiss einem analogen Zweck dienten. Dargestellt ist ein Mann, der
in ein langes faltenreiches Gewand gehüllt auf einer Kline lagert, den Oberkörper auf-
gerichtet, den stützenden Ellenbogen durch ein oder mehrere Polster unterstützt. Es ist
also das Schema des Todtenmahls. Leider sind sämmtÜche Exemplare dieses Typus in
stark fragiiientii'tem Zustand gefunden worden, namentlich fehlen bei allen die Köpfe.
Doch sind wenigstens mehrere einzelne Köpfe erhalten, welche zu derartigen Statuen
gehörten. Sie sind mit einem Kranz geschmückt. Zu diesen gehört, wie ich vermuthe,
auch der schöne bärtige Kopf, welcher auf Taf. II links abgebildet ist (Höhe 0,095,
gefunden Nekr. 111 Grab 54). Er ist unmittelbar unter dem Hals abgebrochen, der Kopf
selbst von tadelloser Erhaltung. Das von einem massigen Vollbart umrahmte Gesicht
zeigt den schönen griechischen Stil des 4. Jahrhunderts, ein noch etwas strenger Zug
um den Mund muss uns vor einer zu späten Ansctzung warnen. Die mitgefundenen

77) Vgl. übet ilii» i;i:il(>!iUüi<r lüi'ses Typus urnl seine Verwendung in verschiedenem Sinne
ick Plastik I> S. 196ff.
 
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